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  • Stadtteilarbeit im Ruhrgebiet

»Die AfD tritt nach unten und buckelt vor den Mächtigen«

Der Landessprecher der NRW-LINKEN, Christian Leye, will die Stadtteilarbeit verbessern, um Rechtspopulisten Wähler streitig zu machen

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 5 Min.

Was ist Euer Ziel bei der linken Stadtteilkonferenz am Sonntag in Bochum?

Nach den Landtags- und Bundestagswahlen im Jahr 2017 haben wir gesehen, dass sich die AfD in ihren Hochburgen im Ruhrgebiet etablieren konnte. Das wollen wir als Linkspartei nicht auf uns sitzen lassen. Gerade das Ruhrgebiet bietet ein enormes Potenzial für linke Politik. Denn die Armut ist hier besonders groß. Jeder fünfte Einwohner ist davon betroffen. In Bochum wächst jedes vierte Kind mit Hartz IV auf, in Gelsenkirchen ist es sogar jedes dritte. Vor diesem Hintergrund haben wir uns als Landesverband entschlossen, das Thema anzugehen. Wir wollen unsere Stadtteilarbeit auf breitere Füße stellen, noch besser in die Stadtteile hineinwirken und aufzeigen, dass die LINKE die Antworten auf Fragen der sozialen Ungleichheit hat.

Christian Leye
Christian Leye führt gemeinsam mit Özlem Demirel den Landesverband der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen. Am Sonntag trifft sich die Partei zu einer Stadtteilkonferenz in Bochum. Besonders die armen Regionen des Ruhrgebiets will die Linkspartei nicht der AfD überlassen. Deswegen will sie hier mehr Präsenz als bisher zeigen. Das Gespräch mit Leye führte Sebastian Weiermann.

Wie sieht die Stadtteilarbeit der Linkspartei bisher aus? Gibt es Städte und Stadtteile, in denen es schon richtig gut läuft?

Es wäre ungerecht, wenn ich in diesem Zusammenhang jetzt einzelne Orte herausgreifen würde. Wir sind in der Fläche aktiv. In Düsseldorf wird in Stadtteilen gearbeitet. Das gilt ebenso für Bochum. Im dortigen Stadtteil Querenburg wurde beispielsweise schon viel gemacht. Aber es gibt auch viele weitere Städte, in denen die Partei eine tolle Arbeit macht. Es ist nicht so, dass da noch nichts passiert. Bei der nun stattfindenden Konferenz, gerade beim ersten Teil mit Workshops, wollen wir unseren Mitgliedern Instrumente an die Hand geben, damit sie die Arbeit in den Stadtteilen noch verbessern können.

Was bedeutet das konkret? Welche Instrumente bekommen die Parteimitglieder?

Wir haben zum Beispiel einen Workshop von dem BeraterInnen-Netzwerk ORKA. Das ist ein Organizing-Workshop. Dort wird es darum gehen, wie man Menschen erreicht, die von linken Ideen vielleicht noch nicht begeistert sind. Aber es geht auch darum, Zuhören zu lernen und zu erfahren, welche Probleme die Menschen in ihrem Umfeld wahrnehmen. Wir wollen bei den Alltagsproblemen der Menschen ansetzen. Das kann ein wichtiger Schlüssel sein, um danach die Menschen für linke Positionen zu gewinnen.

Welche Alltagsprobleme konntet Ihr in Eurer bisherigen Arbeit identifizieren?

Das größte Problem ist natürlich die soziale Ungleichheit. Viele Kommunen im Ruhrgebiet sind faktisch pleite und das schlägt sich im Alltag der Menschen nieder. Ich nenne hier nur zwei Beispiele. An Schulen werden zuweilen Regenrinnen nicht repariert, bis es in den Klassenräumen feucht ist. Zudem wurde kürzlich in Bochum darüber diskutiert, Lehrschwimmbecken für Schülerinnen und Schüler zu schließen. So etwas trifft besonders die Ärmsten in der Gesellschaft.

Habt Ihr eine Blaupause für Stadtteilarbeit, um Menschen gegen solche Missstände zu organisieren?

Wir haben keine Blaupause und ich glaube auch nicht, dass es so etwas gibt. Die Stadtteilkonferenz ist für uns ein Anfang. Wir wollen uns als Partei auf die Suche machen und miteinander neue Wege erkunden. Anders als früher gibt es nämlich inzwischen Stadtteile, in denen die meisten Parteien nicht mehr verankert sind. Wir wollen den Schlüssel zu diesen Stadtteilen suchen und die Menschen für die gemeinsame politische Arbeit gewinnen. Das ist ein mittel- und langfristiges Projekt.

Warum ist die AfD in den abgehängten Stadtteilen im Ruhrgebiet so erfolgreich?

Die AfD wurde von vielen Menschen als die beste Möglichkeit angesehen, dem Status quo mit dem Wahlzettel den Kampf anzusagen. Es gibt viel Wut und Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der herrschenden Politik. Die Menschen spüren, dass seit Jahren nichts mehr für sie getan wird. Die AfD war dort stark, wo die Armut groß ist. Unsere Aufgabe ist es, der AfD die Maske der Protestpartei vom Gesicht zu reißen. Denn sie tritt nach unten und buckelt vor den Mächtigen. Auf die Sorgen und Probleme der Menschen hat die rechtspopulistische Partei keine Antwort. Wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass sie zusammenhalten und sich so mit den Reichen und Mächtigen in der Gesellschaft anlegen können.

Ist die Fraktionschefin der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht, die bei der Stadtteilkonferenz spricht und mit ihren Äußerungen, zuletzt zur Tafel in Essen, immer wieder für Irritationen sorgt, die richtige Person für den Kampf gegen die AfD?

Wenn sich wie in Essen die Ärmsten der Armen um abgelaufene Lebensmittel streiten müssen, dann ist es die Aufgabe einer linken, sozialistischen Partei, die Frage nach Armut und Reichtum mit aller Macht auf die Tagesordnung zu setzen. Und das hat Sahra in besagtem Interview gemacht. Der Gegner einer linken Partei in der Krise des Kapitalismus ist weder die Tafel noch die Suppenküche, sondern das Kapital. Ich habe in Stadtteilen im Ruhrgebiet oft erlebt, dass Menschen sich zuerst als Nachbarn definieren und nicht nach Ethnien. Am Ende haben alle dieselben Probleme, die allzu oft mit Fragen der sozialen Ungerechtigkeit zusammenhängen. Und die müssen wir zur Sprache bringen.

Wie läuft eigentlich die Zusammenarbeit mit stadtpolitischen Initiativen?

Es gibt eine gute und enge Zusammenarbeit mit Initiativen und sozialen Bewegungen. Ich denke aber, dass wir vor allem die Menschen erreichen müssen, die noch nicht in solchen Initiativen aktiv sind und keine Berührungspunkte zu linker Politik haben. Denn sie stellen die große Mehrheit der Bevölkerung dar.

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