Auf Warnungen vor Betonkrebs nicht gehört

Probleme mit dem Fahrbahnbelag der Autobahnen gibt es nur in den ostdeutschen Bundesländern

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Warum gibt es Betonkrebs auf den Autobahnen nur in Ostdeutschland? Wurden hier nach der Wende die Erfahrungen der DDR und Warnungen bewusst in den Wind geschlagen? Hat die Gesellschaft es mit Schlamperei, Hochnäsigkeit oder vielleicht sogar mit zielbewusster Sabotage zu tun?

Immerhin keine kleinen Fragen, die der Landtag in Potsdam kürzlich diskutierte. Bei 700 Kilometer Autobahn, die durch Brandenburg führen, gibt es 130 Kilometer, die von einer zerstörerischen und die Fahrbahn zersetzenden Reaktion der Betondecke befallen sind, bei weiteren 250 Kilometern bestehen »Verdachtsflächen«, musste Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD) zugeben. Diese umgangssprachlich Betonkrebs genannte Reaktion erfordert die Sanierung, wenn nicht den Neubau einer Autobahn deutlich früher, als mit der prognostizierten Lebensdauer abzusehen war. Pro Kilometer kostet das rund eine Million Euro.

Angesichts der Ansagen des brandenburgischen Autobahnamtes, die Betonkrebs-Beseitigung werde sich bis zum Jahr 2030 hinziehen, hatte die CDU-Fraktion eine Beschleunigung des Verfahrens beantragt, war damit jedoch im Parlament gescheitert. Die Ministerin erklärte, der Bund finanziere nur bei überdurchschnittlich starken Verkehrsbewegungen eine solche Beschleunigung, die werden Brandenburg aber nicht zugestanden.

Für die LINKE verwies der Abgeordnete Andreas Bernig auf Expertisen aus DDR-Zeiten, die vor bestimmten Beton-Mischungsverhältnissen beim Autobahnbau gewarnt hatten. Darauf wollte nach 1990 niemand hören. Die Fachleute im Bundesministerium seien gewarnt worden, doch hätten sie das Problem nicht sehen wollen. »Und der Bürger bezahlt das nun«, bedauerte Bernig. Inzwischen seien die neuen Bundesländer gezwungen, Autobahnabschnitte zu sanieren, »die noch nicht einmal 15 Jahre alt sind«. Jahrzehntelang habe die Bundesregierung weggesehen. Erst der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) habe sich als Bundesverkehrsminister dieses Problems angenommen.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Rainer Genilke fühlte sich von dieser Darstellung herausgefordert und meinte darauf hinweisen zu müssen, dass man zu DDR-Zeiten noch auf »Autobahnen des Dritten Reiches« fahren musste. »Und Sie wollen uns erklären, wie Verkehrspolitik funktioniert«, hielt er Bernig vor. Allerdings räumte auch Genilke ein, dass die Problematik schon vor 1990 bekannt gewesen sei und sich am DDR-Exportartikel Eisenbahnschwellen aus Beton gezeigt habe.

Angesichts der vielen Baustellen könne er die zögerliche Bauausführung an den Sanierungsstellen nicht nachvollziehen, sagte Genilke. »Am Wochenende arbeitet dort kein Mensch, was soll das?« Der CDU-Politiker warf der rot-roten Landesregierung vor, das Straßennetz »stiefmütterlich« zu behandeln und in Größenordnungen Straßenbaufirmen auf ihr Geld warten zu lassen.

Die SPD-Abgeordnete Kerstin Kircheis sagte, die Betonkrebssanierung koste ostdeutschlandweit über eine Milliarde Euro. »Und trotzdem ist das kein Fall für die Gerichte!« Sie wies darauf hin, dass dieses Problem fast ausschließlich die neuen Bundesländer betreffe und dort auch nur die nach 1990 erneuerten Autobahnen. Inzwischen stehe fest, dass 650 Kilometer Richtungsfahrbahn ausgetauscht werden müssen. Die Bedenken lagen dem Bundesverkehrsministerium seit 1993 vor. Das sei damals allerdings »ignoriert« worden, beklagte Kircheis. Offenbar sollten die »Bauprojekte deutsche Einheit« keinen Imageschaden nehmen. »Nach dem Mauerfall wollte Helmut Kohl rasch den Weg zu den blühenden Landschaften ebnen, da wurde eben etwas zusammengerührt und jetzt haben wir den Salat«, sagte die SPD-Abgeordnete. Steuermittel seien nur dann sinnvoll und effizient eingesetzt, wenn eine Autobahn die allgemein übliche »Lebensdauer« auch tatsächlich erreicht. Von Beschleunigungsaktionen halte sie nichts. Das würde - mit Blick auf die derzeit ausgelastete Bauindustrie - auf jeden Fall den Steuerzahler deutlich teurer kommen, die Zahl der Baustellen noch verdichten und damit die Unfallgefahr erhöhen.

Für eine Beschleunigung bei der Autobahnsanierung sprach sich dagegen der Abgeordnete Michael Jungclaus (Grüne) aus. Er räumte ein, dass eine Zeitverkürzung die Autofahrer intensiver belasten würde. »Dennoch: Auch wenn durch die Beschleunigung Mehrkosten entstehen, sind wir dafür.«

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