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- Linksradikaler 1. Mai im Westen
Radikaler Mai-Protest als Zufallsprodukt
Auch in Bochum und Wuppertal gibt es linksradikale Gruppen, die zum Tag der Arbeit Akzente setzen wollen
Linksradikale Demonstrationen zum ersten Mai sind keine Spezialität von »Szenehauptstädten« wie Berlin oder Hamburg. In Bochum und Wuppertal gibt es auch linke Gruppen, die zum Tag der Arbeit Akzente setzen wollen. In Wuppertal schon seit 32 Jahren. In diesem Jahr konnte die unangemeldete Demonstration jedoch nicht laufen.
Es sind kuriose Szenen, die sich auf dem Platz der Republik in Wuppertal an diesem Dienstagnachmittag abspielen. Auf einem Bolzplatz spielen Kinder Fußball, daneben wird gerutscht und geschaukelt. Dazwischen stehen behelmte Polizisten. Ein paar Meter weiter sind 50 linke Demonstranten von der Polizei eingeschlossen. Zuvor hatten sie versucht, die traditionelle Demonstration zum 1. Mai zu starten. Das ließ die Polizei nicht zu. Mit Lautsprecher-Durchsagen machte sie unmissverständlich klar, dass die Autonomen den Platz nicht verlassen werden.
Karl-Heinz ist ein älterer Autonomer aus Wuppertal. Er erzählt über die Geschichte der Demonstration. 1986 bog ein Block von Autonomen aus der DGB-Demonstration nach links ab. Seitdem findet die Demonstration in jedem Jahr unangemeldet statt. Mal mit mehr, mal mit weniger Repression. Pfefferspray und Schlagstock-Einsätze gab es immer wieder. Einmal wurden fast 200 Menschen von der Polizei in Gewahrsam genommen. »Mehr als in Hamburg und Berlin zusammen.« Die 20 Ingewahrsamnahmen in diesem Jahr sind trotzdem eine schlechte Bilanz. Warum tun sich die Wuppertaler Autonomen das jedes Jahr an? Eine Antwort darauf liefert Marco aus dem Vorbereitungskreis der Demo. »Es geht um Freiheiten, die wir uns erkämpft haben. Und die lassen wir uns auch nicht nehmen.«
Wuppertal hat eine kleine, aber kontinuierlich arbeitende autonome Szene. Vor einigen Wochen gab es einen Anschlag auf eine in Bau befindliche Polizeiwache, bei dem ein Sachschaden von 500.000 Euro entstand. Der Anschlag wird der linksradikalen Bewegung zugerechnet. Dass der Anschlag ein Grund für die harte Linie der Polizei gegen die Mai-Demonstration ist, glaubt Marco allerdings nicht. »Das ist eine politische Entscheidung. In NRW soll unter schwarz-gelb Law and Order herrschen. Auch kurdische Demos wurden in letzter Zeit immer wieder wegen Kleinigkeiten aufgelöst.« Die Repression gegen Linke ist in Wuppertal auch im Alltag spürbar. Junge Linke werden auch mal von der Polizei auf dem Weg zur Schule kontrolliert.
Dass die Demo am ersten Mai nicht laufen konnte, ist für die Linken in Wuppertal ein harter Schlag. »Wir werden in den kommenden Wochen und im nächsten Jahr kreative Antworten darauf finden. Dafür brauchen wir aber auch Unterstützung aus ganz NRW.« sagt Marco vom Vorbereitungskreis. Trotz allem fand der erste Mai einen versöhnlichen Abschluss. Am Nachmittag trafen sich hunderte Menschen beim Nachbarschaftsfest auf dem Schusterplatz. Auch das Fest gehört zur Tradition der Wuppertaler Autonomen.
Ob die Demonstration, die am 30. April in Bochum stattfand, irgendwann auf eine Tradition zurückblicken kann, wie der 1. Mai in Wuppertal, ist fraglich. Aber die Linksradikalen in Bochum arbeiten daran. In diesem Jahr fand sie zum dritten Mal statt. Dabei ist die Demo eigentlich ein Zufallsprodukt. 2016 marschierte die NPD in Bochum auf. Dem wollte man etwas entgegensetzen. Nach guten Rückmeldungen findet die Demo nun jährlich statt. Manfred aus dem Vorbereitungsbündnis sagt: »Wir gehen für eigene linke Inhalte auf die Straße und möchten damit eine Protestkultur bzw. Demokultur in Bochum etablieren, die spektrenübergreifend auf die Straße geht und soziale Kämpfe, vor allem auf lokaler Ebene, miteinander verbindet. Dies ist uns dieses Jahr unserer ersten Einschätzung nach durchaus gut gelungen.« Deutlich über 300 Menschen gingen in Bochum auf die Straße. Begleitet wurde die Demonstration immer wieder von bengalischen Lichtern und Feuerwerk. Die Polizei ließ dies weitgehend durchgehen. Ihre Versuche, die Feuerwerker, die unter anderem auf das Dach des Schauspielhauses geklettert waren, festzunehmen, scheiterten. Ein Beobachter nannte die Demonstration eine Veranstaltung »fürs autonome Herz«.
»Wir wollen in unserer eigenen Stadt und Region auf die Straße gehen. Hier können wir doch ansetzen und Dinge im kleinen bewegen, indem wir uns mit lokalen Aktivistinnnen zusammen tun.« erzählt Manfred nach der Motivation für die Demonstration gefragt. Eine Einschätzung, der sich auch die Autonomen aus Wuppertal anschließen können.
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