Allianz der Kohleausstiegs-Trickser

Mit Selbstverpflichtungen machen Unternehmen und Politik auf öko, doch Lorenz Gösta Beutin will echte Klimagesetze statt neoliberalem Greenwashing

  • Lorenz Gösta Beutin
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eine Nachricht, die aufhorchen lässt: Aus Klimaschutzgründen und Unternehmensverantwortung habe die Allianz-Versicherung angekündigt, aus dem Geschäft mit Kohle auszusteigen. Der größte Versicherungskonzern der Erde würde sich dazu bekennen, den »globalen Wandel zur kohlenstoffarmen Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten aktiv mitzugestalten«, erklärte der Allianz-Konzern am Freitag. Man wolle »mit sofortiger Wirkung« keine Versicherungen mehr für die Errichtung oder den Betrieb von Kohlekraftwerken und -minen anbieten. Bis 2040 werde es einen kompletten Kohleausstieg hinlegen, bis dahin würden »kohlebasierte Geschäftsmodelle im Kundenportfolio in der Versicherung und in der Anlage der Versichertengelder schrittweise auslaufen«.

Jeder, der eine Versicherung abgeschlossen hat, weiß, wie wichtig der Blick ins Kleingedruckte ist. Und so schreibt die Allianz in ihrer Pressemitteilung: »Unternehmen, die Strom aus mehreren Quellen erzeugen, wie Kohle, andere fossile Brennstoffe oder erneuerbare Energien, werden zunächst weiter versichert«. Postwendend auf die Jubelmeldungen von Tagessschau (»Allianz steigt aus Geschäften mit Kohle aus«) über Tagesspiegel (»Allianz steigt ganz aus der Kohle aus«) bis Spiegel Online (»Keine Versicherungen, keine Investments: Allianz steigt komplett aus der Kohle aus«) twitterte der Energiekonzern RWE die Euphorie auf Normaltemperatur runter. »Die angekündigten Maßnahmen betreffen RWE nicht. Das hat uns die Allianz bestätigt. Die RWE gehört zu der Gruppe von Energieversorgern, die mit einem breiten Portfolio die Energiewende erfolgreich vorantreiben, und von der Allianz daher auch weiterhin versichert werden«, erklärte das Pressesprecher-Team einer der größten Braunkohlekonzerne der Erde. Doch da war die Nachricht vom großen Kohleausstieg schon längst in den Köpfen. Bravo, Propaganda-Coup gelungen!

Auch die Bundesregierung betreibt diese Form des Greenwashings. Statt dass in dem Land, das für ein Viertel der Klimagase in Europa steht, endlich ein Kohleausstiegsgesetz ins Amtsblatt gemeißelt wird, gibt es nur unverbindliche Klimaschutz-Absichtserklärungen (»Klimaschutzplan 2050«). Und eine Kohleausstiegskommission, in denen die Bremser einer ökologisch-sozialen Energiewende wohl das Sagen haben werden.

Die Folgen dieser neoliberalen Augenwischerei sind fatal. Nie in der Menschheitsgeschichte war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre so hoch wie heute. Es darf keine Zeit mehr verloren werden. Jedes Jahr mehr CO2 in die Luft blasen verschlimmert die Klimakrise. Gerade gab die EU bekannt, dass trotz aller Klimaschutzanstrengungen der Kohlendioxid-Ausstoß aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in der Europäischen Union 2017 gestiegen und eben nicht gesunken ist. Die Statistikbehörde Eurostat schätzte am Freitag eine Zunahme um 1,8 Prozent (in Deutschland nur leichter Rückgang um 0,2 Prozent wegen des warmen Winters). So löblich kleine Schritte in die richtige Richtung sind. Bei laufendem fossilem Kapitalismus-Motor den Planeten zu retten ist und bleibt eine Illusion.

Lorenz Gösta Beutin ist Sprecher für Energie und Klima von DIE LINKE im Bundestag.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Mehr aus: Klima und Wandel