Defizite bei Vermittlung von Wissen zur Nazizeit
Oranienburg. Der scheidende Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, sieht Defizite bei der Vermittlung von Schulwissen über die Nazizeit. Das Allgemeinwissen vor allem bei Jugendlichen habe stark abgenommen, sagte Morsch dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. So werden bei Führungen Basisfragen gestellt wie etwa »Was ist die NS-Diktatur« oder worin unterscheide sich die SA von der SS. Morsch forderte: »Die Zeitgeschichte muss wieder mehr Raum bekommen im Unterricht.« Dabei sollte sich aber nicht nur auf die Vernichtung des europäischen Judentums konzentriert werden. »Natürlich ist der Holocaust ein singuläres Verbrechen.« Die Vernichtungspolitik habe aber »unendliche Kreise« gezogen: Juden, Kranke, Missliebige, Homosexuelle und sogenannte slawische Untermenschen seien davon betroffen gewesen. Morsch zeigte sich auch besorgt über die politische Entwicklung in Deutschland und Europa. Die KZ-Überlebenden hatten geglaubt, dass die Vernichtungspolitik der Faschisten ein Zivilisationsbruch war, der die Menschheit zur Umkehr bewegen würde. Doch Grundfesten, die nach 1945 galten, »sind vergessen oder infrage gestellt«, klagte Morsch. Es gebe Kräfte, die Ausgrenzung, Nationalismus und Demokratieverachtung neu beleben. Eine Ursache dafür sei die neoliberale Wirtschaft. Sie setze ähnlich wie die industriellen Umwälzungen im 19. Jahrhundert Prozesse frei, in denen alte Identitäten verschwinden und die Frage aufgeworfen werde, was die Gesellschaft zusammenhält. epd/nd
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