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Viele Wege führen nach Rom

Die neuen Rundfahrtkönner stehlen Radsport-Superstar Chris Froome beim Auftakt des Giro d’Italia die Show

  • Tom Mustroph, Jerusalem
  • Lesedauer: 4 Min.

So schnell verliert man alle Aufmerksamkeit: Als Chris Froome beim Einfahren auf dem Prologkurs in Jerusalem stürzte, war die Aufregung noch groß. Doch sie schwand schon, nachdem der Brite sich 37 Sekunden Rückstand auf Titelverteidiger Tom Dumoulin einhandelte. Inzwischen ist Dumoulin nicht mal mehr selbst vorn. Der Titelverteidiger vom Sunweb-Rennstall ließ den Australier Rohan Dennis und dessen BMC-Team bei einem Zwischensprint die nötigen Bonussekunden holen.

Eine souveräne Geste von Dumoulin: »Wir können jetzt Kraft sparen, und ich kann früher ins Hotel«, meinte der Niederländer gut gelaunt. Und auch Dennis war bestens gestimmt. Nach den Führungstrikots bei Vuelta und Tour holte er sich nun auch eines beim Giro. Der bergstarke Zeitfahrer ist zumindest für das Podium in Rom ein Kandidat. Derzeit bestimmen damit zwei Rundfahrer des Jahrgangs 1990 den Giro. Froome, eine halbe Rennfahrergeneration älter, ist gerade einmal in den Top 20.

Die Gelegenheit, früher als die Spitzenreiter ins Hotel zu kommen, hat er damit immerhin auch: Eine ungewohnte Rolle für ihn bei großen Rundfahrten. Sonst trägt er meist ein Trikot, muss auf die Siegertribüne und in Pressekonferenzen. Jetzt muss er nicht laut Protokoll Rede und Antwort stehen. Und er macht sich am liebsten unsichtbar. So unsichtbar, dass die - freilich nicht sonderlich radsporterfahrenen - israelischen Fans gelegentlich andere Fahrer des Sky-Rennstalls für Froome halten, denen sie dann irrtümlich »Bravo Chris!« zurufen.

Zuspruch kann Froome allemal gebrauchen. In seinem beruflichen Umfeld ist er zunehmend isoliert. »Ich wäre an seiner Stelle nicht zum Giro angetreten«, sagte etwa Rivale Dumoulin bezogen auf das langwierige Dopingverfahren Froomes. »Positive A-Probe und positive B-Probe - da muss eine Sperre kommen, basta«, meinte Bora hansgrohe-Treamchef Ralph Denk zu »nd«. Denk nahm allerdings auch Team Sky und Froome ein wenig in Schutz. »Sie brechen nicht die Regeln, indem Froome hier an den Start geht. Das Problem sind die Regeln selbst. Sie kommen von der Weltantidopingagentur WADA. Sie hat die Regeln geschaffen, nach denen ein Fahrer nach einem solchen Testergebnis weiterfahren kann. Die UCI übernimmt nur die Regeln. Sie und Team Sky sind jetzt die Buhmänner. Das ärgert mich, dass das wieder auf den Radsport fällt, obwohl die Verantwortung für diese Situation bei anderen liegt«, erklärte Denk.

Nun ja, Verantwortung liegt auch bei Froome und Sky. Das Team und auch der Fahrer könnten selbst in einfachen Worten die Erklärung liefern, warum Froome unschuldig sein soll bei der massiven Überschreitung des Grenzwerts für das Asthmamittel Salbutamol. Das jedoch überlassen sie ihren Anwälten. Und die lassen sich vor allem Zeit. Diese Verzögerungstaktik erlaubt Froome nicht nur den Start beim Giro und wohl auch im Juli bei der Tour de France. Froome kann sogar hoffen, selbst bei einer Verurteilung seine in der Zwischenzeit errungenen Siege zu behalten. Dafür setzt sich gegenwärtig Girodirektor Mauro Vegni ein.

Vor Vegnis innerem Auge steht noch immer der Giro 2011. Den gewann Alberto Contador - obwohl gegen ihn auch ein Dopingverfahren lief. Danach wurde er gesperrt und der Sieg ihm aberkannt. Vegni argumentiert jetzt: »Es ist absurd und ungerecht gegenüber dem Publikum, dem Rennen und dem Rennfahrer, wenn ein Sportler erst ein dreiwöchiges Rennen gewinnt und es ihm aberkannt wird.«

Da hat er Recht. Seine Schlussfolgerung ist aber nicht, den Fahrer, der ein solches Damoklesschwert zum Rennen bringt, von einem Startverzicht zu überzeugen. Nein, Vegni votiert für eine neue Lex Froome. »Ich habe mich bei der UCI dafür eingesetzt, dass Froome im Falle eines Schuldspruchs erst ab dem Zeitpunkt des Urteils gesperrt wird«, sagte Vegni gegenüber »nd«. UCI-Präsident David Lappartient ließ allerdings verlauten, dass er keinen Einfluss auf die Entscheidung des Antidopingtribunals nehmen wolle und könne.

Nun aber ist Froome von einem Giro-Sieg weit entfernt, er nicht chancenlos. Nur die Vorzeichen haben sich geändert. In früheren Jahren konnte er sich auf seine Zeitfahrqualitäten verlassen und musste in den Bergen nur reagieren. Jetzt ist er selbst der Jäger und muss angreifen.

Zudem muss er bei der Rückkehr des Rennens nach Europa mit mehr Unmutsbekundungen der Fans rechnen. Im Radsportentwicklungsland Israel ist Doping kein großes Thema. Italienische Tifosi sind zwar traditionell »elastisch« bei Dopingfragen. Wie sie auf den früheren Saubermann im Sky-Dress reagieren, ist aber noch unklar. Der Auftakt in Jerusalem war schon schwer für Froome. Der weitere Weg nach Rom verspricht nicht, leichter zu werden.

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