Überraschung im »Sachsensumpf«
Staatsanwalt verzichtet auf Anklage wegen Verfolgung Unschuldiger
Dresden. Überraschende Wendung im Prozess um den »Sachsensumpf«: Die beiden Beschuldigten sollen nach dem Willen der Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr wegen Verfolgung Unschuldiger beziehungsweise Beihilfe zu dieser Straftat verurteilt werden. Allerdings beantragte Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt am Montag in seinem Plädoyer hohe Geldstrafen, weil beide Angeklagte vor einem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages die Unwahrheit gesagt haben sollen. Die frühere Referatsleiterin im sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) soll 12 000 Euro - 120 Tagessätze zu 100 Euro - zahlen, ein inzwischen pensionierter Polizist 6000 Euro.
Zuvor ließ Schmidt den Hauptanklagepunkt überraschend fallen. Es gebe nach mehr als einjähriger Verhandlung Restzweifel daran, ob die vormalige Leiterin des Referates »Organisierte Kriminalität« im LfV vorsätzlich handelte, als sie bei der Erstellung eines Behördenzeugnisses für die Generalstaatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht gegen hochrangige Juristen begründete. Zu Beginn des Prozesses im März 2017 war ihr vorgeworfen worden, ihre Erkenntnisse nur auf Basis von Gerüchten und Vermutungen formuliert zu haben.
Schmidt sah bei der heute 59 Jahre alten Frau zwar einen »gewissen Verfolgungseifer« vor allem hinsichtlich sexueller Straftaten. Es habe seinerzeit aber auch Hektik bei der Zusammenstellung des Materials gegeben - nicht zuletzt wegen des großen medialen Interesses. Auch den Beihilfevorwurf gegen den mitangeklagten Kriminalhauptkommissar, der als Quelle von Anschuldigungen gedient hatte, hielt der Oberstaatsanwalt folgerichtig nicht mehr aufrecht.
Die Verteidigung der 59-Jährigen hatte in dem Prozess stets die Auffassung vertreten, dass ihre Mandantin schon deshalb nicht wegen Verfolgung Unschuldiger verurteilt werden könne, weil die Verfolgung von Straftaten gar nicht zu ihren Aufgaben gehörte. Sie habe lediglich Daten übermittelt. »Ich habe ein reines Gewissen. Ich bin unschuldig«, hatte die Frau zu Prozessbeginn gesagt. Zugleich sah sich die Verteidigung in ihrem Agieren eingeschränkt, weil die Angeklagte keine umfassende Aussagegenehmigung vom Geheimdienst erhielt und Akten zudem gesperrt blieben.
Die beiden Verteidiger des Ex-Polizisten plädierten auf Freispruch. Gleiches wurde für das Plädoyer der Verteidigung der früheren Referatsleiterin erwartet. Problematisch könnte für die beiden Angeklagten im Fall einer Verurteilung die Höhe der beantragten Geldstrafe sein. Denn ab 90 Tagessätzen gilt man in Deutschland als vorbestraft, was Konsequenzen für Pensionsansprüche mit sich bringen kann. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.