Der lange Kampf um Svydovets
In Transkarpatien in der Westukraine protestieren Umweltaktivisten und Waldarbeiter gegen ein gigantisches Tourismusprojekt
Mit drei natürlichen Seen, zahlreichen Wäldern und einzigartiger Flora und Fauna gilt die Bergkette Svydovets in der Westukraine als Perle von Transkarpatien. Wenig überraschend also, dass die Pläne, dort ein modernes und ultragroßes Skizen-trum zu bauen, schon seit Bekanntwerden diskutiert wurden. Es soll größer und schicker werden als die bisher bekannteste Skistation »Bukowel«, eine Art Doppelgänger nur noch grandioser. Geplant sind mehr als 60 Hotels, 120 Restaurants, 33 Lifte, die zu Pisten mit einer Gesamtlänge von 230 Kilometern führen, hinzu kommen sollen Einkaufszentren, Ärztehäuser, Fitnessstudios, Bankfilialen, mehrstöckige Parkhäuser und sogar eine 1000 Meter lange Piste für kleinere Flugzeuge.
Bekannt wurden die Pläne erstmals 2016. Als größter Unterstützter hat sich Hennadij Moskal, der Gouverneur des Regierungsbezirks Transkarpatien, zum Projekt bekannt. »Wir müssen unsere Region modernisieren. Das Skizentrum würde viele Arbeitsplätze schaffen und dem Image von Transkarpatien guttun«, betonte er.
5000 Arbeitsplätze für 28 000 Touristen - unglaubliche Zahlen und bemerkenswerte Pläne, über die Moskal offen spricht. »Perspektivisch gesehen könnte ich mir vorstellen, diese Infrastruktur würde für die Austragung der Olympischen Spiele genutzt werden«, hofft er. Für die transkarpatische Wirtschaft seien solche Aussichten Gold wert.
Mit dem Projekt gibt es jedoch gleich mehrere Probleme. Zum einen schlagen Ökologen Alarm: Da die Bergkette Svydovets sich in unmittelbarer Nähe von Bukowel befindet, sei die Gefahr einer kompletten Dehydrierung der Region hoch. »Im unteren Bereich von Svydovets könnte das Wasser verschwinden - und mit dem Wasser werden auch die Menschen verschwinden«, sagt Bohdan Prokopez, einer der Koordinatoren der Umweltstiftung WWF in der Ukraine. Und zum anderen: Bisher ist unklar, wer das gigantische Svydovets-Projekt verwirklichen soll - und wer die mysteriösen Investoren sind, die Moskal niemals konkret benannte.
Außerdem scheint eine Abstimmung unter den Bewohnern der betroffenen Wohnorte nicht transparent gelaufen zu sein. Im Dorf Yassinya zum Beispiel erfuhr die Mehrheit von der Abstimmung erst, als diese bereits zu Ende war - das betont zumindest der lokale Aktivist Wasyl Fabrizy: »Es gab zwar eine Ankündigung in der Lokalzeitung, in der ging es aber überhaupt nicht darum, dass dafür oder dagegen abgestimmt werden soll.« Vor allem die Bewohner von Yassinya bilden den Kern der Initiative FreeSvydovets, die gegen den Bau des Skizentrums kämpft. Weil die Mehrheit von ihnen im Wald arbeitet, sind die Menschen nicht nur wegen ihrer bisherigen Jobs besorgt, sondern auch wegen der potenziellen ökologischen Schäden.
Bemerkenswert ist dabei, dass das Wasser für Bukowel bereits heute nicht ganz ausreicht - das bedeutet also, dass nicht nur die Vorwürfe der mangelnden Transparenz, sondern auch die ökologischen Bedenken eine Grundlage haben.
Anfang des Jahres haben die Aktivisten von FreeSvydovets eine Klage gegen das Projekt in erster Instanz gewonnen, nun laufen weitere Gerichtsprozesse, die vor allem in der Westukraine mit Spannung verfolgt werden. »Wir sind bereit für einen langen Kampf, um unsere Karpaten zu retten«, sagt Iris Del Sol von FreeSvydovets.
Allerdings gibt es nicht nur Gegner, sondern auch Befürworter des Tourismusprojekts, die vor dem Gerichtsgebäude im westukrainischen Lwiw erscheinen - beide Gruppen sind rein zahlenmäßig ähnlich groß. Die Befürworter werden unter anderem vom Chef des Dorfrates von Yassinya, Eduard Selinskyj, vertreten. »Bestimmte Kritik am Projekt kann ich nachvollziehen, wir müssen aber das Leben von Yassinya irgendwie finanzieren, was heute extrem schwierig ist«, sagt er. »Das Skizentrum bietet Möglichkeiten, die wir vorher nicht hatten.«
Der Ausgang der Gerichtsverhandlungen, die höchstwahrscheinlich sehr lange andauern werden, ist unklar. Auch wenn die Aktivisten von FreeSvydovets die Klage verlieren, zeigen sie sich bereit, weiterhin zu kämpfen. »Wir haben keine andere Wahl«, sagt Iris Del Sol. Doch das Gebiet Svydovets ist gespalten, das wissen auch die Aktivisten.
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