Wo die Armutsgefahr am größten ist

Für die Zukunft von Kindern spielt das Elternhaus eine wichtige Rolle. Hierbei gibt es große regionale Unterschiede

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den ersten Blick sind die Zahlen nicht überraschend. Sie zeigen, dass in strukturschwachen Regionen Deutschlands die Gefahr für Kinder, in Armut abzurutschen, am größten ist. Das galt in den vergangenen Jahren insbesondere für die ostdeutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Berlin und Thüringen. Hier ist auch die Arbeitslosigkeit besonders hoch. Gleiches gilt für das Ruhrgebiet, wo der Strukturwandel nicht dafür gesorgt hat, dass genügend neue Jobs entstehen. Auch in so manchen westdeutschen Großstädten ist die Lage für viele Heranwachsende nicht sonderlich rosig.

Während in Bremen 33,1 Prozent, in Sachsen-Anhalt 28,7 Prozent und im Regierungsbezirk Düsseldorf 25,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen in armen Haushalten leben, sind es in den Regierungsbezirken Oberbayern, Oberpfalz und im baden-württembergischen Tübingen lediglich 9,1 bis 10,5 Prozent. Das haben Daten aus dem Mikrozensus gezeigt, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im Jahr 2016 ausgewertet hat.

Die Kinder von Langzeiterwerbslosen oder auch Alleinerziehenden und Menschen, die niedrige Löhne beziehen, sind besonders gefährdet. Die Armutsgefährdungsquote bedeutet, dass Menschen entsprechend dem EU-Standard weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. In Ostdeutschland ist die Quote zwar in den vergangenen Jahren gesunken. Nichtsdestotrotz ist sie weiterhin deutlich höher als in einigen westdeutschen Ländern.

Deutlich geringer ist die Wahrscheinlichkeit für Kinder in Bayern und Baden-Württemberg, in Armut aufzuwachsen. Hier wird mancherorts von Vollbeschäftigung gesprochen. Doch in den begeisterten Reden von Regierungspolitikern, dass »die Wirtschaft brummt«, wird oft ausgespart, dass es auch in Boomregionen große soziale Probleme gibt. Die derzeit durchaus gute konjunkturelle Lage kommt nicht bei allen an.

Das liegt vor allem daran, dass viele Jobs schlecht bezahlt sind und die Mieten vielerorts steigen. Die Folge ist, dass auch in den reichen Bundesländern Kinderarmut ein Problem ist. So lag in den meisten Regionen Baden-Württembergs und Bayerns die Armutsgefährdungsquote in den vergangenen Jahren bei mehr als 15 Prozent. Die Caritas teilte kürzlich mit, dass allein im Ländle 385 000 Kinder von Armut betroffen oder davon bedroht sind.

In Bayern ist eine große Diskrepanz zwischen Stadt und Land zu sehen. Viel Armut gibt es beispielsweise in den fränkischen Städten Hof, Nürnberg und Schweinfurt. Ganz anders sieht es im Unterallgäu aus.

Forscher führen dieses Phänomen darauf zurück, dass die sozialen Unterschiede in den Städten zuweilen größer sind als auf dem Land. Zudem sind Migrantengruppen, die oft in den Städten leben, überdurchschnittlich oft von Armut betroffen. 34 Prozent der Familien mit Kindern, bei denen die Eltern aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Deutschland kamen, hatten nach den Zahlen von 2016 nur ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle. Bei Familien aus Serbien und aus afrikanischen Ländern beträgt die Armutsquote sogar mehr als 40 Prozent.

Im Grundgesetz ist die Forderung verankert, dass gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland hergestellt werden müssten. Auch die verbreitete Kinderarmut ist ein Beleg dafür, dass dieses Ziel in weiter Ferne ist.

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