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Protest- und Prozessvorbereitung
»Chaos- und Diskussionstage« / Montag erneut »Kadterschmiede« vor Gericht
»Wer meint, in der Rigaer Straße oder sonst wo die Friedhofsruhe einzuläuten, sollte mit unserem Drang nach einem selbstorganisierten und unkommerziellen Leben rechnen«, so steht es in der Einladung zu den »Chaos- und Diskussionstagen« vom 10. bis 13. Mai. Dem Jahr 2018 sehe man mit Spannung entgegen, hieß es dort schon im Januar. Schwerpunkt der Veranstaltungen ist der Friedrichshainer Nordkiez. Dort ist die Perspektive einzelner Projekte ungewiss. Der Pachtvertrag für des Hausprojekt in der Liebigstraße 34 läuft Ende des Jahres aus, und die Zukunft der »Kadterschmiede« wird erneut vor Gericht verhandelt.
Am kommenden Montag ist vor dem Landgericht Berlin ein neuer Verhandlungstermin angesetzt, in dem es um Nutzungsrechte von Räumen im Erdgeschoss der Rigaer Straße 94 geht. Der Fall ist kompliziert, die Vorgeschichte ereignisreich. Schon die Eigentumsverhältnisse sind bei dem Haus nicht ganz einfach. Die Immobilie gehört »Lafone Investment Limited«. Im Juni 2016 ließ der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) die Kneipe räumen. Das Landgericht entschied im Nachhinein, dass die Räumung rechtswidrig war. Seitdem wird die »Kadterschmiede« wieder genutzt. Bei einem weiteren Gerichtstermin im Februar 2017 war ein Versäumnisurteil gegen die Klägerin ergangen, da der sie vertretende Anwalt keine Prozessbefugnis vorweisen konnte. Im Juni wurde das Verfahren schließlich unterbrochen, weil der Director von Lafone Investment gestorben war. Ob die Klägerin ordnungsgemäß vertreten wird, ist Gegenstand der Verhandlung. »Die Lafone Investment Limited ist eine reine Briefkastenfirma, die weder für die Mieter_innen noch für Ansprechpartner_innen von der Presse erreichbar ist. Sie bezahlt ihre Schulden nicht, ihre Gerichtskosten nicht und die Anwaltskosten der Gegenseite nicht, wenn sie verliert. Wir bestreiten daher, dass die Lafone Investment ordnungsgemäß vertreten ist und halten die Klage für unzulässig«, so Lukas Theune, Anwalt der »Kadterschmiede«.
Noch ist die Kneipe geöffnet, und während der »Chaos- und Diskussionstage« finden dort auch Veranstaltungen statt. Freitagnachmittag wird beispielsweise über das Verbot der linksradikalen Webseite »linksunten.indymedia« informiert und »die Bedeutung linksradikaler Medien« diskutiert, wie es im Ankündigungstext heißt.
Es ist nur eine von vielen Veranstaltungen. Den ganzen Freitag über findet ein Aktionstraining statt. Es hat zum Ziel, »unsere gemeinsame Handlungsfähigkeit auf der Straße zu erhöhen«, heißt es im Programm. Neben den drei Moderierenden sind am Freitagvormittag nur eine Handvoll junger Aktivist_innen gekommen. Die sind dafür aus allen Ecken des Landes angereist. Zunächst tauscht man sich darüber aus, was ziviler Ungehorsam überhaupt sei. »Gesetze missachten und zu einem gewissen Grad Strafe in Kauf zu nehmen«, gehöre auf jeden Fall dazu, gibt Ness als grobe Definition aus. Ness hat den Workshop mit vorbereitet und will ihren Nachnamen nicht nennen. Neben Blockaden und unangemeldeten Demonstrationen nennt der Workshop auch Kirchenasyl oder Selbstanzeige als Mittel des zivilen Ungehorsams. Später soll es auch noch praktische Phasen zum »Durchfließen von Polizeiketten« oder Blockieren geben.
Das Aktionstraining findet im »Abstand«, einer selbstverwalteten Kneipe in der Rigaer Straße 78, statt. Am Donnerstag gab es dort ein »Widerstandscafé« mit Kaffee und Kuchen, sagt Susanne, die in dem Haus wohnt, und ebenfalls ihren Namen nicht nennen möchte. Ein Umsonstflohmarkt am gleichen Tag auf dem so genannten Dorfplatz an der Kreuzung Rigaer Ecke Liebigstraße sei, ebenso wie ein Kiezspaziergang, sehr gut besucht gewesen. Die Polizei habe aber schnell eingegriffen, Dinge beschlagnahmt und den Flohmarkt nur auf dem Gehsteig vor dem Hausprojekt in der Liebigstraße 34 toleriert.
Insgesamt seien viele Leute eigens für die Aktionstage angereist, heißt es aus dem Vorbereitungskreis. Samstagabend wird es eine Veranstaltung zum »Hamburger Aufstand 1923« mit Bernd Langer, einem bewegungsnahen Autor, geben. Sie soll auf dem »Dorfplatz« stattfinden.
Ein Polizist, der keinen Namen nennt, aber laut einer Anwohnerin oft vor Ort sei, sagt am Freitagmittag, bisher laufe »alles gut«.
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