Ein fragiles Kartenhaus
Das umstrittene Holocaust-Gesetz, das unter anderem irreführende Bezeichnungen wie »polnische Todeslager« künftig mit Geldstrafen und Gefängnis bis zu drei Jahren ahndet, war aus Sicht Jerusalems mehr als nur ein diplomatischer Lapsus. In den israelischen Medien löste es eine Welle der Empörung aus. Auch Washington äußerte sich angesichts des Holocaust-Gesetzes »besorgt«.
Nun geht das legislative Säbelrasseln weiter: Am vergangenen Donnerstag unterschrieb US-Präsident Donald Trump das »Gesetz 447«, nachdem es bereits zuvor Ende April von beiden Kammern des amerikanischen Parlaments abgesegnet wurde. Ideengeberin des Projekts war Tammy Baldwin vom linken Flügel der Demokraten, die schon im März gemeinsam mit 58 weiteren Senatoren in einem Brief an den polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki ihren Unmut über das neue Reprivatisierungsgesetz von Justizminister Zbigniew Ziobro äußerte. Das Gesetz würde die Rechte der in USA lebenden Juden diskriminieren, die eventuell einen Anspruch auf Immobilien auf polnischem Gebiet hätten, so die US-Senatoren.
Der polnische Premier hatte die Vorwürfe als haltlos zurückgewiesen. Das nun in Kraft getretene »Gesetz 447« räumt dem US-Außenministerium das Recht ein, internationalen Organisationen, die Opfer des Holocaust repräsentieren, auf diplomatischem Wege bei der Übernahme von jüdischem Eigentum ohne Erben zu helfen. Nach den neuen Vorschriften ist das State Department obligiert, einen Bericht zu erstellen, der darüber informiert, welche Länder die Rückgabe von Eigentum ablehnen. Bei seinem Besuch in den USA im April sagte der stellvertretende Premier Jarosław Gowin, das Gesetz stelle keine Bedrohung für sein Land dar. Polen sei in dem Dokument nicht einmal erwähnt, heißt es. Chefdiplomat Jacek Czaputowicz bemühte sich ebenfalls um diplomatische Entwarnung, sagte aber, das Gesetz sei »nicht gut, weil es eine Gruppe von Auslandspolen jüdischer Herkunft über den Rest der Polen stellen will«. An der Weichsel wurde »447« besonders vom rechtsextremen Lager harsch kritisiert. Robert Winnicki, Sejm-Abgeordneter und Chef des rechtsextremen Ruch Narodowy, wetterte: »Jüdische Organisationen in den USA verlangen von Polen Milliarden von Dollar, ohne nachzuweisen, dass sie auch tatsächlich Nachfahren von Holocaust-Opfern sind.«
Zwischen Warschau und Washington gab es zudem in den vergangenen Tagen erneut Spannungen: Das Katyń-Denkmal in New Jersey, das an die 1940 ermordeten polnischen Soldaten erinnert, sollte bald entfernt werden. Es würde die spielenden Kinder irritieren, so der Bürgermeister von Jersey City, Steven Fulop. Als Sejmpräsident Stanisław Karczewski auf Twitter seinem Ärger Luft verschaffte, bezeichnete Fulop ihn als Rassisten. Nach Gesprächen mit Vertretern der polnischen Community in den USA, sei der Streit aber beigelegt, so Fulop. Das Denkmal soll bleiben.
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