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- TV-Tipp: »Der 90-Minuten-Krieg«
Und dann gibt es Kabeljau
In »Der 90-Minuten-Krieg« beendet das ZDF den israelisch-palästinensischen Konflikt auf dem Fußballplatz
Israel und Palästina? Die Auskunft eines Kamerateams, sie würden bald auf dem satten Grün seines Stadions im portugiesischen Lieria gegeneinander Fußball spielen, irritiert den arglosen Herrn Gomes zutiefst. »Führen die nicht Krieg?«, fragt der Clubchef nach. Ja, das tun sie, bekommt er aus dem Off zur Antwort. Aber nicht mehr lang. Denn dieser Konflikt der an Konflikten keinesfalls armen Welt soll auf dem Rasen von Herrn Gomes sein Ende finden, endlich. »Der Krieg zwischen Israel und Palästina wird hier ausgetragen?«, fragt er sicherheitshalber nach. Dann ruft seine Frau an und fragt nach dem Abendessen. Es gibt Kabeljau.
So dramatisch, so gewöhnlich, so herrlich verschroben und doch wahrhaftig, versucht ein tragikomischer Spielfilm den 70 Jahre währenden Stellungskampf also zu beenden. Nach dem gleichnamigen Roman von Itay Meirson ersetzt »Der 90-Minuten-Krieg« die Wüste Negev am Mittelmeer durch einen Fußballplatz am Atlantik und lässt darauf endlich mal keine Soldaten, Kinder, religiöse Eiferer mit schwerer Munition aufeinander schießen, sondern 22 Männer mit Bällen aufs gegnerische Tor. Der Sieger, so ist die Regel, kriegt ganz Palästina.
Klingt irre? Ist es auch!
Und doch von so luftiger Wahrhaftigkeit, dass die Mockumentary genau das richtige Stilmittel ist, um ihn zum Ausdruck zu bringen. Von Tom Toelles TV-Dystopie »Millionenspiel« bis zur Serienkillergroteske »Mann beißt Hund«, von Bürohengst »Stromberg« bis Olli Dittrichs Beckenbauer-Double »Schorsch Aigner« - Filmemacher bedienen sich der inszenierten Dokumentation immer dann, wenn Wirklichkeit und Wahnsinn genügend Bezugspunkte haben, um ihre Unterscheidbarkeit ernstlich, oft aber auch humorvoll auf die Probe zu stellen. Und genau das gelingt diesem Film mit einer leichtfüßigen Dringlichkeit, die oft im selben Moment zum Heulen und Lachen ist.
Verantwortlich sind dafür vor allem die Hauptfiguren: Der palästinensische Fußballverbandschef Barguti und sein israelischer Kollege Ozon. Letzterer ein Schmock mit Herz und Zigarre, ersterer ein Heißsporn mit Herz und Schnauze, feilschen sie meist glaubhaft um Abstammungsfragen (reichen 14 Tage Aufenthalt im Land zur Spielberechtigung?), Schiedsrichter (war seine Tochter nicht im Kibbuz?) und Spielort (auf keinem Fall die Schweiz). Das wirft regelmäßig die Frage auf: Sind Norman Issa und Moshe Igvy auf diesem Basar schwindender Verachtung vielleicht doch nicht bloß Darsteller?
Dem seltsam gewissenhaften Weltfußballverband IFA etwa fehlt nicht nur ein F im Kürzel, sondern auch der Gauner im Vorstand. Die Protagonisten allerdings - von Detlef Buck als Israels deutschem Trainer namens Müller bis hin zum binationalen Linksverteidiger zwischen den Fronten - kommen vorwiegend ohne Überzeichnung aus. Die Ausgangssituation ist schlicht zu bizarr, um ihre Inszenierung noch weiter zu dramatisieren. Genau hierin besteht der besondere Reiz einer Fake-Doku, die sich ihrer Fiktionalität gar nicht mal dauernd durch die übliche Wackelkamera versichern muss.
Der Nahostkonflikt also wird nicht verharmlost, sondern in seiner Absurdität komprimiert. Ob man Ahmed Hany umbringen solle, heißt es zum überraschenden Einsatz des Bundesliga-Torschützenkönigs für Palästina. »Schluss mit dem Töten«, entgegnet Verbandsboss Ozon ruhig, als ginge es um Ablösesummen. »Was haben wir je damit gewonnen?« Die Antwort gibt ein anschließendes Schweigen, das laut herausbrüllt, wie irre der 70-Jahre-Krieg ist.
Dieser wunderbare, gottlob nicht synchronisierte und vom ZDF schon deshalb spätnachts versendete »90-Minuten-Krieg«, bedarf halt keines Lärms, um Krach zu schlagen. Warum beim kriegsentscheidenden Match keine Fans dabei sein sollen, wird ein IFA-Funktionär gefragt. »Wir sind keine UN-Friedenstruppe«, lautet die lakonisch hintersinnige Antwort. So ernst und gleichsam heiter klang der 70. Geburtstag von Israel bislang nie.
ZDF, 14. Mai, 0.10 Uhr
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