Anlehnungsbedürftiger Wolf

In der Serie »Strike« ringt ein kriegsversehrter Privatdetektiv um ein gutes Leben

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Nacht in der Seele ist oft von solcher Tiefe, dass sie alles um sich herum verfinstert. Als sei sein Herz ein schwarzes Loch, saugt daher auch Cormoran Strike jedes Licht auf, wo immer er auftaucht. Kein Wunder: Vor seiner Zeit als Privatdetektiv verlor der Militärpolizist mit dem - auch fürs englische Sprachgefühl - seltsamen Namen beim afghanischen Kampfeinsatz ein Bein. Verbittert, einsam und hinkend schlägt er sich seither durch London, doch da es ihm offenbar noch immer zu hell ist, dunkelt der Veteran sein düsteres Büro auch noch mit Jalousien ab, damit die Sonne bloß draußen bleibt.

Das also ist die Farbgebung einer BBC-Serie, die auch sonst wenig Mühe darauf verwendet, für Frohsinn zu sorgen. Benannt nach ihrer Titelfigur, ermittelt »Strike« sieben Teile lang trübsinnig bis zur Depression im Abgrund seiner Stadt und löst dort zunächst drei Fälle. Der erste handelt von einer glamourösen Jetset-Schönheit, die sich zu Hause noch schnell was Bequemes anzieht, bevor sie am Concierge ihres luxuriösen Reihenhauses vorbei vom Dach springt. Weil ihr Bruder nicht an Suizid glaubt, bittet er Cormoran Strike um Hilfe, die jedoch ebenfalls dramatisch beginnt: Als sich die neue Assistentin bei ihm vorstellt, stößt er sie versehentlich fast die Treppe runter. »Sorry, dass ich dich beinahe getötet habe«, lautet seine Entschuldigung lapidar. »Schon okay«, meint Robin kurz und ermittelt weiter am Auftaktfall namens »The Cockoo’s Calling«.

Das also ist der Tonfall einer Serie, die auch sonst viel Mühe darauf verwendet, lakonisch zu klingen. Das liegt zum einen an der Romanvorlage von Robert Galbraith, hinter dem sich niemand Geringeres verbirgt als J. K. Rowling, bekannt als Autorin der »Harry Potter«-Reihe. Mehr aber noch liegt es an einem der erstaunlichsten Schauspieler im zeitgenössischen Film und Fernsehen: Tom Burke. Trotz (oder wegen) seiner Hasenscharte hat es der 37-Jährige aus Kent in die erste Liga der Branche geschafft. Zuletzt sorgte er 30 Folgen lang als einer der drei BBC-Musketiere für Furore. Jetzt also spielt, nein: verinnerlicht, er Cormoran Strikes trotziges Scheitern mit einer beiläufigen Intensität, die einmalig ist.

Sein Hinken ist spür-, aber kaum sichtbar, sein Trauma wirk-, aber nicht übermächtig, sein Trübsinn selbstmitleidig, zugleich jedoch anlehnungsbedürftig und nett. Käme solch ein Charakter aus deutscher Produktion auf den Bildschirm, er wäre durchweg zynisch, armselig oder ungenießbar. In England aber agiert dieser gefallene Sohn eines Rockstars eher zwischen den Zeilen einer seelenwunden Existenz, die noch zu viel Kampfkraft fürs Aufgeben hat und schon zu viel Fatalismus fürs Durchhalten. Sein Büro mag zuweilen der Pub nebenan sein und der Umgangston abweisend - jenseits vom Ballast der eigenen Biografie ist Cormoran Strike ein Mensch wie jeder andere, dem halt nur Schreckliches widerfahren ist.

Ob das sieben Folgen trägt, muss sich noch zeigen. Es wird jedenfalls viel ermittelt in »Strike«. Die Dramaturgie ist konventionell. Und Holliday Grainger wirkt als Assistentin Robin ein wenig zu lieblich, grazil, zu schick für den Job im abgedunkelten Büro dieses einsamen Wolfes. Ansonsten aber entfaltet die Serie, produziert von der Romanautorin, eine anziehende Dynamik des Unscheinbaren. Und die Musik - hallo, deutsches Fernsehen! - ist nur zu hören, wenn sie dem Inhalt dient. Nur die Jalousie könnte Strike mal hochziehen. Sein Leben ist ja schon dunkel genug.

Verfügbar ab 17. Mai auf Sky

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