- Politik
- Einschränkung von Bürgerrechten
Landtag in Bayern stimmt für Polizeigesetz
90 Abgeordnete votierten für Gesetzentwurf der Staatsregierung / Protest im Parlament
München. Der bayerische Landtag hat dem umstrittenen neuen Polizeiaufgabengesetz zugestimmt. Nach einer scharfen Aussprache stimmten 90 Abgeordnete am Dienstagabend für den Gesetzentwurf der Staatsregierung, 68 stimmten dagegen und zwei enthielten sich. SPD und Grüne haben Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof angekündigt.
Zentraler Kritikpunkt ist, dass die bayerische Polizei künftig das Recht haben soll, ohne konkreten Verdacht auf eine geplante Straftat Überwachung und andere polizeiliche Maßnahmen einzuleiten - etwa DNA-Entnahmen und Online-Durchsuchungen. Stattdessen soll das juristisch schwächere Kriterium von »Gefahr oder drohender Gefahr« genügen, wie es in der Formulierung des Gesetzestexts mehrfach heißt. Allerdings muss die Polizei das in der Regel bei einem Richter beantragen, nur in Einzelfällen dürfen höhere Polizeibeamte selbst entscheiden.
Anders als im Landtag üblich gab es auf Antrag der Opposition drei anstelle der üblichen zwei Lesungen, damit verzögerte die Opposition die Verabschiedung um gut eine Stunde. Söder wies schon am Nachmittag den Vorwurf zurück, die CSU verletze die Grundsätze des Rechtsstaats. Über die Umsetzung des Gesetzes soll eine Kommission unter Vorsitz des Verfassungsrechtlers Karl Huber wachen, einst Präsident des bayerischen Verfassungsgerichtshofs.
Der CSU-Politiker prophezeite, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre die Mehrheit der anderen Bundesländer dem bayerischen Beispiel folgen würden: In NRW und Niedersachsen werde bereits überlegt, der Polizei das Einschreiten bei »drohender« anstelle einer konkreten Gefahr zu erlauben.
Im Landtag ging es gleich zu Beginn hoch her. Eine Gruppe von Jugendlichen protestierte lautstark auf der Besuchertribüne: »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit raubt.« Landtags-Vizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) ließ die Gruppe vor die Tür setzen - Demonstrationen sind im Plenarsaal nicht erlaubt. In der Münchner Innenstadt demonstrierten Schüler.
SPD, Grüne und Freie Wähler halten das Gesetz für eine Einschränkung der Freiheit. »Das Gesetz ist verfassungswidrig«, erklärte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. »Wir haben die niedrigste Kriminalitätsbelastung in Bayern seit 30 Jahren«, so die Politikerin. »Und trotzdem wollen Sie die Freiheitsrechte massiv einschränken.« Die SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen hielt der CSU vor, die Kritik protestierender Bürger nicht ernst zu nehmen: »Sie tun gerade so, als ob die Menschen nicht in der Lage wären, selbst zu denken und selbst zu entscheiden.« Wie SPD und Grüne hält auch die LINKE das Gesetz für verfassungswidrig.
Auch die zum bürgerlich-konservativen Lager zählenden Freien Wähler sind kritisch: »Erst hängen, dann reden«, spottete die Abgeordnete Eva Gottstein über die geplante Kontrollkommission. »Ich kenne keinen einzigen Amoklauf der vergangenen 20 Jahre, der durch diese neuen Befugnisse hätte verhindert werden können.« In München hatten vergangene Woche mehr als 30.000 Menschen gegen das Gesetz demonstriert. Auch in anderen Städten gab es Proteste.
Außerdem äußerte sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) skeptisch. Die Proteste gegen die zusätzlichen Befugnisse für die Beamten zeigten eine mangelnde Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung, sagte Gewerkschaftschef Oliver Malchow am Mittwoch im ARD-»Morgenmagazin«. Die Polizei sei aber dringend auf das Vertrauen der Bürger angewiesen. Malchow sagte, Deutschland sei angesichts der gewachsenen Terrorgefahr in den vergangenen Jahren gut mit der Strategie gefahren, sich mit Gesetzesverschärfungen zurückzuhalten, die mehr Sicherheit nur vorgaukelten. Agenturen/nd
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