So natürlich wie Doris Day

Eine Ausstellung sondiert die Verbindungen dreier Ausnahmekünstler: Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter

  • Stefan Ripplinger
  • Lesedauer: 5 Min.

Seine Filme, sagte Werner Schroeter, seien bloß »Abfallprodukt meiner Liebesgeschichten«. Kaum hatte er dies gesagt, fragte Rosa von Praunheim in gespielter Empörung, ob er, Rosa, denn auch ein »Abfallprodukt« sei, denn immerhin habe er mit Schroeter eine kurze Affäre gehabt. Film und Leben, das wird sofort klar, sind bei diesen beiden Filmemachern unentwirrbar miteinander verknüpft.

Zu sehen ist ihr Gespräch in einem berührenden Film, den ihre Weggefährtin Elfi Mikesch gedreht hat. »Mondo Lux« (2011) heißt die Dokumentation, die eigentlich eine Thanatographie ist, denn sie zeigt den sterbenden Schroeter (1945-2010), wie er auf sein künstlerisches Leben zurückblickt. Thema dieses Lebens waren die Liebe und ihre Produkte, aber diejenige Liebe, die er nicht geben, und diejenige, die er nicht bekommen konnte.

»Abfallprodukte der Liebe« ist nun eine Ausstellung in der Akademie der Künste benannt, die die Beziehungen zwischen Mikesch, Praunheim und Schroeter sondiert. »Abfallprodukte der Liebe« heißt auch ein Film (1996) Schroeters, in dem er den schockierenden Satz sagt: »Ich könnte nicht behaupten, ich bin imstande zu lieben.«

Vielleicht erklärt dieser eine Satz sein ganzes Werk. Denn Liebe ist bei ihm keine Behauptung, sondern eine Sehnsucht. Die Sehnsucht brennt umso greller, je weiter die Liebe entfernt ist. »Aus Liebe und Sehnsucht wird über Nacht Besessenheit«, erklärt Schroeter die Motive des (von Pascal Greggory gespielten) Helden seines letzten Films, »Diese Nacht« (2008).

Diese Liebe, diese Sehnsucht, diese Besessenheit sind Extremzustände und Spannungen, Störungen und Schieflagen. Ebendeshalb hat Schroeter die Sängerin Maria Callas und die Schauspielerin Magdalena Montezuma so verehrt, die die Suche nach Liebe wie wenige andere zum Ausdruck haben bringen können. In Filmen wie »Eika Katappa« (1969) und »Der Rosenkönig« (1986), den schönsten Abfallprodukten seiner Verehrung für die Callas und die Montezuma, demonstrieren sie etwas Unberechenbares, Gestisches, oft Schiefes, das kostbarer ist als irgendeine Meisterinnenschaft. Oder, wie es Kammersängerin Martha Mödl trocken in »Abfallprodukte der Liebe«, Schroeters Film, sagt: »Bei zu viel Perfektion geht das Gefühl baden.« So unterschiedlich Mikesch, Praunheim und Schroeter als Charaktere und Künstler sind, die Suche nach der unerreichbaren Liebe verbindet sie ebenso wie die Einsicht, dass das Schiefe und Schräge mehr bewegt als das Glatte und Gelungene.

Wer sich die Filme der drei heute anschaut, wird wohl von Mikesch am meisten überrascht sein. Denn Praunheim kennt jeder, der sich auch nur entfernt für die westdeutsche Schwulenbewegung interessiert hat. Sie hat sich mit seinem Film »Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt« (1971) formiert. Schroeter, den man, nach eigener Auskunft, in Deutschland als das »singende, springende Kunstfötzchen« verachtete, wurde über den Umweg Frankreich zu einem der großen Regisseure seiner Zeit. Aber dass Mikesch mehr ist als eine begabte Kamerafrau, wissen wohl nur wenige (ich wusste es jedenfalls nicht).

In ihrem gemeinsam mit Monika Treut gedrehten Film »Verführung: Die grausame Frau« (1985) strömen Mikesch die grandiosen Bilder nur so zu (und nicht allein aus der Kunstgeschichte). Die beiden Regisseurinnen haben erkennbar Spaß an einer Stilisierung à la Schroeter oder Ulrike Ottinger, aber sind dabei viel lässiger. Die grausame Frau (Mechthild Großmann) sagt: »Perversionen sind nichts anderes als Missverständnisse.« Das mag auch bedeuten, dass Verständnis eine Endstation ist, während Missverständnis, Irreleitung, ja höherer Irrsinn in die wunderlichsten Welten führen. Ein Beispiel dafür ist Mikeschs »Verrückt bleiben - verliebt bleiben« (1997), das Porträt eines inspirierten Künstlers, der sich »48 000 U-Bahnlinien« für Berlin wünscht und einen Planeten malt, wo es »in Zitrone« regnet.

Ihr »Fieber« (2014) erinnert nicht nur deshalb an Schroeters »Diese Nacht«, weil Oleg Zhukov in beiden Filmen mitspielt, wobei er bei Mikesch den deutlich stärkeren Auftritt hat. Beide Filme handeln davon, wie die Kriege unserer Zeit auch diejenigen zugrunderichten, die gar nicht daran beteiligt sind. Beide Filme verwischen die Grenzen zwischen Vision und Wirklichkeit. Schroeter hat, was Tempo, Schauspielerführung, Farben und Musik betrifft, eine sichere Hand. Doch bleibt er, getreu der Romanvorlage von Juan Carlos Onetti, in einem apokalyptischen Ungefähr. Die Welt geht unter, keiner weiß, warum. Mikesch dagegen erzählt konkret von einem Fremdenlegionär in Algerien; es ist ihr Vater. Ihr Film ist der künstlerisch schwächere, aber der politisch wichtigere.

In die Falle des Ästhetizismus, der Mikesch und Schroeter manchmal nur knapp entgehen, kann Praunheim nicht tappen. Seine Filme sind zu derb und schmutzig, als dass sie bloß schön sein könnten. Sie waren Mittel zu einem politischen Zweck, nicht mehr, nicht weniger. Seine »Bettwurst« (1971) allerdings wird im Gedächtnis bleiben, weil sie genau das revolutionäre Potenzial freisetzt, das in Wim-Wenders-Filmen verpufft wie ein Furz in der Ledergarnitur.

Erzählt wird von einer unwahrscheinlichen Liebe, die unwahrscheinlicherweise glückt. Dietmar (Dietmar Kracht), der bislang nur mit »leichten Mädchen und schweren Jungens« Umgang pflegte und überdies stockschwul wirkt, trifft auf die vom Leben geprüfte Luzi (Luzi Kryn). Dietmar findet sie »so natürlich wie Doris Day«. Luzi lobt »das hübsche Lokal. Die schöne Lüftung!«

Die Flamme ihrer Liebe flackert dank des Enthusiasmus von Dietmar auf, der sich stets »furchtbar sehr« selbst über das Banalste freut und eine Zartheit beweist, die Luzi bislang an Männern vermisst hat. Was eine Farce sein könnte, steigert Praunheim am Ende, wenn er etwa Dietmar aus »Macbeth« zitieren lässt, zu einer an Jack Smith erinnernden Dramatik. Dass das Wohnhaus Herders oder die Kulissenstadt von Potsdam zum Unesco-Weltkulturerbe gehören, nicht aber dieser Film, genügt, um diese Institution für erledigt zu halten.

Die von einem Filmprogramm begleitete Ausstellung der Akademie zeigt drei Filmemacher, die »queer« waren, als das Wort noch »seltsam« bedeutet hat. Ausgesprochen oder unausgesprochen ist ein Vierter im Bunde: Rainer Werner Fassbinder. Fassbinder stilisiert wie Schroeter, provoziert wie Praunheim, findet zarte und surreale Bilder wie Mikesch - aber alles in verträglicher Dosierung. Das schmälert nicht sein Werk, aber erklärt, weshalb es so früh derart erfolgreich war. Wer Fassbinder schätzt, wird vieles, was er bei ihm findet, bei Mikesch, Praunheim, Schroeter in größerer Reinheit wiederfinden.

»Abfallprodukte der Liebe«. Eine Ausstellung mit Werken von Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter. Berlin, Akademie der Künste, Pariser Platz, zu sehen bis 12. August.

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