- Politik
- Protest gegen Aufmarsch
Kulturszene will der AfD den Tag vermiesen
nd-Serie: Wer demonstriert am Sonntag gegen den Aufmarsch der Rechtsaußenpartei?
Ein Klotz aus Beton, Stahl und Glas, irgendwo in Kreuzberg. Durch sterile, anthrazitfarbene Gänge mit Lagerhallenflair geht es zu einer schweren Tür. Dahinter befindet sich die Probebühne eines kleinen Berliner Theaters. Heute finden hier jedoch keine Proben statt. In der Mitte des hell beleuchteten Raumes sitzen Theaterregisseur*innen, Schauspieler*innen und Musiker*innen in einem Stuhlkreis. Die Anwesenden haben ein Ziel: Sie wollen der AfD den Tag vermiesen.
Unter dem Motto »Zukunft Deutschland« ruft die AfD für den kommenden Sonntag zu einem bundesweiten Aufmarsch in Berlin auf. Tausende Teilnehmer werden erwartet, die Gegenseite mobilisiert seit Wochen gegen den rechten Megamarsch. Auch die Berliner Kulturszene will ein Zeichen gegen rechts setzen. Angeführt wird sie von dem politisch-künstlerischen Kollektiv »Die Vielen« - ein Zusammenschluss von Theater-Ensembles, Musiker*innen und freien Künstler*innen. Am Sonntag wollen sie mit einer »glänzenden Kundgebung und Demo« auf die Straße gehen. Das Motto: Glanz gegen Nazis.
Auch Bernadette la Hengst will gegen die Rechten demonstrieren. Seit vielen Jahren ist die Musikerin und Theaterregisseurin politisch aktiv. Rund um die Jahrtausendwende gründete sie mit Freund*innen in Hamburg das Schwabinggrad Ballett –ein »mobiles Agitprop-Einsatzkommando zwischen Theatergruppe und Freejazz-Band«. Sie meint: »Die Berliner Kulturszene ist sehr international und geprägt von Menschen, die ihr Leben irgendwie anders gestalten. Das wird durch rechte Kräfte massiv bedroht – dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen.«
Die Idee in der Kunst- und Kulturszene gegen Rechts zu mobilisieren, entstand nachdem Mitglieder der völkisch-nationalistischen »Identitären Bewegung« in mehreren Städten Theateraufführungen gestört hatten. Als die rassistische »Bewegung« im Juni 2017 mit einer europaweiten Demonstration durch Berlin ziehen wollte, mobilisierten die »Die Vielen« zu einer Demo. »Wir wollten verhindern, dass Bilder von Rechten mit Lambda-Fahnen an diesem Tag Berlin bestimmten«, erinnert sich Bernadette. Der Plan ging auf: Zusammen mit anderen Aktivist*innen gelang es, den Aufmarsch zu blockieren. Es war der erste und letzte öffentliche Auftritt des Kollektivs mit den glänzenden Fahnen – nun wollen Aktivist*innen wieder auf die Straße.
»Die Lage macht es notwendig, dass wir uns positionieren«, meint der Künstler Raul Walch, der im Blaumann mit Farbspritzern zum Treffen erscheint. Walch weiß, wovon er spricht. Seit Jahren macht er politische Kunst, analysiert in seinem Werken auch »gesellschaftliche Probleme«, unterstützt Projekte für Geflüchtete in Griechenland. Walch meint: »Die Sprache der AfD ist völkisch-national durchtränkt. Das macht mir Angst und erinnert mich an ganz dunkle Zeiten.«
Nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch wollen sich die Aktivist*innen »von der dumpfen AfD-Demo« abgrenzen. Am Sonntag soll es glänzen, glitzern, strahlen. »Wir wollen ein kreatives Gesamtbild auf die Straße tragen«, meint Bernadette, die selbst für ihre bunten und extravaganten Auftritte bekannt ist. »So wollen wir Menschen auf die Straße bringen, die sich nicht vom klassischen Antifa-Aufruf angesprochen fühlen.« Demo-Inklusion bedeutet für »Die Vielen«, dass auch Kinder und Rollstuhlfahrer mit ihnen demonstrieren können. Walch drückt das so auch: »Wir wollen Diversität, statt Quantität«.
Und warum die glänzenden Fahnen? Berndette lacht und meint: »Glamourös gegen Nazis, das ist doch mal was anderes.« Außerdem: Die Fahnen sind eigentlich Rettungsdecken – und stehen somit symbolisch für das Schicksal von Menschen auf der Flucht.
Und wie geht es nach der Demo weiter? Für »Die Vielen« ist klar, dass sich die Kulturszene auch nach Sonntag gegen Nazis engagieren muss. »Wenn die AfD die Landtagswahl in Sachsen gewinnt, könnte das extreme Auswirkungen für den Kulturbereich haben.« Am 13. Juni wollen die »Die Vielen« eine Diskussionsveranstaltung über die extreme Rechte veranstalten. Für Bernadette darf die Kritik aber nicht bei der AfD stehenbleiben: »Auch die Flüchtlingspolitik der CSU und CDU stört mich sehr – vielleicht ist das aber dann der Anlass für unsere nächste Aktion.«
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