»Diesmal zahlen die Preußen mit«

Die Paraderäume im Dresdner Schloss sollen bis 2019 restauriert sein - ein Rundgang

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch ist von barocker Pracht wenig zu sehen. Kahl ragen die Wände des Paradesaals im Dresdner Schloss auf; aus Öffnungen zwischen den Ziegeln hängen dicke Kabelbündel; im Estrich verschwinden Heizungsrohre. Während vor den Fenstern das historische Dresden mit Semperoper und Zwinger in der Sonne strahlt, herrscht in dem Eckraum des Schlosses Baustellenatmosphäre.

Nicht mehr lange. In 15 Monaten dürfte es Besuchern hier den Atem verschlagen. Dann sollen die Decken und Wände des Paradesaals und einer Flucht weiterer Räume mit prächtigen Gemälden, echtem wie aufgemaltem Stuck und kostbaren Stofftapeten verkleidet sein. Im zweiten Stock des Residenzschlosses wird dann ein »Gesamtkunstwerk« zu bewundern sein, sagt Holger Krause vom Sächsischen Staatsbetrieb Immobilien-und Baumanagement (SIB). Das Dresdner Schloss sei zwar vor allem für das Grüne Gewölbe weltweit bekannt. Politisch und kulturgeschichtlich, sagt Krause, »ist diese Etage aber wichtiger«. Grund ist ein Spektakel, das im September 1719 Europa in Atem hielt: die Hochzeit des sächsischen Kronprinzen Friedrich August mit der habsburgischen Kaisertochter Maria Josepha. Um die Trauung seines 23-jährigen Sohnes gebührend zu inszenieren, ließ sich Kurfürst August der Starke nicht lumpen. Er veranstaltete ein Spektakel, das Konzerte, Jagden und Paraden umfasste, sich über beinahe einen Monat hinzog und vier Millionen Taler kostete. Zudem ließ er das Schloss auf das Prächtigste umgestalten. Deckengemälde wurden bei dem renommierten Maler Louis de Silvestre in Paris in Auftrag gegeben; ebenfalls in der französischen Hauptstadt sowie in Leipzig wurden textile Tapeten und Borten gefertigt, die mit Fäden aus Gold bestickt waren.

Heimstatt für fünf Museen

Blick auf Dresdens Hofkirche und das Residenzschloss: Als Stammsitz der albertinischen Linie des Hauses Wettin war das 1945 stark zerstörte Schloss prägend für die kulturelle Entwicklung Dresdens. Heute beherbergt es fünf Museen: Historisches und Neues Grünes Gewölbe, Münzkabinett, Kupferstichkabinett und Rüstkammer mit Türckischer Cammer.

Insgesamt wurden rund 3,5 Kilometer Goldtressen und 1,5 Kilometer Seidensamt angebracht, sagt Textilrestauratorin Sabine Schneider: »Je mehr Seide enthalten war, um so kostbarer war das Material.«

Schneider gehört zu einer großen Schar von Fachleuten, die mit der Wiederherstellung der barocken Pracht beschäftigt ist. Manche müssen alten Glanz von Originalen aufpolieren: Große Teile der Wandbespannung sind ebenso erhalten wie Spiegel und Möbel. Sie waren ausgelagert worden, bevor das Schloss im Februar 1945 zerstört wurde. Andere Teile, etwa die Deckengemälde und die Malereien an den Wänden, entstehen neu. Vorstudien dazu werden derzeit in der Schlosskapelle angefertigt. Grundlage der »Neuschöpfungen« seien Fotografien aus den Jahren 1943/44, sagt der Restaurator Dietrich Richter. Auf ihrer Grundlage tasten sich Fachleute an Lichtwirkung und Farbklang der Originale heran. Gemalt werden dabei nicht nur Scharen von Engeln oder Wolken, sondern auch Kapitelle, Stuck und textile Borten: Vieles, sagt Richter, sei Scheinarchitektur und »geschickte Augentäuschung«.

Noch liegt ungemein viel Arbeit vor den Kunsthandwerkern. Dirk Syndram ist aber zuversichtlich, dass die Räume zum 300-jährigen Jubiläum der Hochzeit fertig sind. Der Direktor von Grünem Gewölbe und Rüstkammer, der künftig auch Hausherr der Paraderäume sein wird, vergleicht das Vorhaben mit einem Flug zum Mars: »Man muss genau wissen, wann man womit anfangen muss, damit man rechtzeitig ankommt.« Auch der weitere Plan für die Wiederherstellung des Schlosses stehe fest. Im Jahr 2022, ist Syndram überzeugt, werden die Arbeiten abgeschlossen sein.

Sie werden dann über 40 Jahre gedauert haben. »Ein Generationenprojekt«, sagt Landesfinanzminister Matthias Haß. Insgesamt werden in dieser Zeit 382 Millionen Euro verbaut worden sein - was, wenn man die Summe um die gestiegenen Baupreise bereinige, den Schätzungen zu Beginn der Arbeiten entspreche, erklärt der CDU-Mann. Der Bund hat sich seit 2013 mit 29 Millionen beteiligt. Das sei, frotzelt CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, ein angenehmer Unterschied zum Bauprojekt, das einst August der Starke stemmte: »Diesmal zahlen die Preußen mit.«

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