Mit »Prunkschwert« im Gepäck
Auf dem historischen Gipfel in Singapur stehen hohen Hürden vor dem Ziel, einen Friedensvertrag zwischen den USA und Nordkorea zu schließen
Genau wissen wird man es erst, wenn es tatsächlich stattgefunden hat, das Treffen zwischen dem nordkoreanischen Führer Kim Jong Un und dem US-Präsidenten Donald Trump am 12. Juni in einer grünen Luxus-Hotel-Oase von Singapur. Dass einer der Beiden in letzter Sekunde noch abspringt, ist bei diesen widersprüchlichen und unberechenbaren Charakteren durchaus möglich. Sollte es stattfinden, worauf alles deutet, dann werden sich, trotz Kameralächelns, erbitterte Gegner gegenübersitzen.
Kim reist in der Überzeugung an, dass es die atomare Aufrüstung der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) war - das »Prunkschwert des koreanischen Volkes«, wie die nordkoreanische Propaganda den Eigenbesitz nuklearer Waffen deklariert -, die den US-Präsidenten an den Verhandlungstisch gezwungen hat. Trump wiederum macht seine unverhohlene Droh- und Sanktionspolitik dafür verantwortlich, dass Kim zu Kreuze kroch. Man muss kein Befürworter der Trump-Politik sein, um einzugestehen, dass der US-Präsident einen Schritt getan hat, den zuvor kein Regent der USA zustande gebracht hat. Sein Vorgänger, Friedensnobelpreisträger Obama, wie alle anderen Herren des Weißen Hauses, hat es nach dem mörderischen Koreakrieg 1950 bis 1953, wo die koreanische Halbinsel mit einem amerikanische Bombeninferno niedergewalzt wurde, nicht fertig gebracht, auch nur den Versuch zu machen, auf die nordkoreanische Führung zuzugehen.
Was will Kim Jong Un mit seiner Reise nach Singapur erreichen? Den wohl größten Erfolg kann er bereits jetzt auf seine Fahnen schreiben. Er kommt als Führer eines Staates mit geschätzt 25 Millionen Einwohnern und tritt dem US-Präsidenten auf Augenhöhe gegenüber. Die Gesten seines Gesprächspartners wird er genau studiert haben und sich nicht jovial auf die Schultern klopfen lassen. Auch für den Händedruck wird er gut vorbereitet sein. Für die Reputation beim eigenen Volk ist der Gipfel schon jetzt ein gewaltiger Gewinn, das ihn als Halbgott verehrt und dem Führer zukünftig mit noch größerer Inbrunst bejubeln wird.
Ein zweiter Aspekt: Die Sanktionen, die Isolation des Landes lasten schwer auf die Wirtschaft der DVRK. Wie schwer, lässt sich nur erahnen, denn ausländische Beobachter werden immer nur zu solchen Orten gefahren, die ein Paradies auf Erden zeigen. Die Schattenseiten bleiben der eigenen und der internationalen Öffentlichkeit verborgen. Fakt ist, die atomare und Raketenrüstung hat einen Großteil des Volksvermögens verschlungen. Andererseits hat das Land gelernt, mit wirtschaftlicher Erpressung umzugehen, die Menschen sind ein entbehrungsreiches Leben gewöhnt. Und die Abschottung ist ein wichtiger Garant für den Bestand des Systems. Jede noch so kleine Öffnung würde dem Machterhalt der herrschenden Partei- und Militärkaste um Kim Jong Un nicht dienlich sein. Deshalb wird er eine Lockerung der Zügel nur akzeptieren, wenn damit kein Kontrollverlust verbunden ist. So propagiert Nordkorea seit Jahrzehnten, alles aus eigener Kraft bewältigen zu können. Dass da viel geschummelt wird, die eigene Wirtschaft ohne die Warenflüsse aus und nach China kaum überlebensfähig sein würde, muss das Volk nicht unbedingt wissen.
Der US-Präsident könnte seinem Gegenüber anbieten: Friedensvertrag und wirtschaftliche Unterstützung, eine Art Marshall-Plan für Nordkorea gegen atomare Abrüstung der DVRK. Sollte es in Singapur zu Vereinbarungen kommen, dürften es vor allem Willenserklärungen sein. Denn die Auffassung, was atomare Abrüstung bedeutet, geht weit auseinander. Für Nordkorea müssten die noch verbliebenden rund 30 000 US-Soldaten aus Südkorea verschwinden und das militärische Potenzial in der Region, etwa in Japan, zurückgedrängt werden. Die DVRK wird ihr »Prunkschwert« nicht so schnell aus der Hand geben.
Trump hatte in seiner lockeren Art angekündigt, dass beim Treffen das Ende des Korea-Kkrieges besiegelt werden könnte. »Wir könnten absolut eine Vereinbarung unterzeichnen«, sagte Trump im Vorfeld. Den Krieg, der vor 65 Jahren mit Millionen Toten und der fast völligen Zerstörung der DVRK endete, auch formell zu beenden, ist das Hauptanliegen nordkoreanischer Außenpolitik.
Für den US-Präsidenten bedeutet der Singapur-Gipfel, auch einen Schritt auf den großen Nachbarn Nordkoreas zuzugehen. Hier liegen die eigentlichen Interessen der USA, sowohl militärisch als auch wirtschaftlich. Nachdem es in den Beziehungen zu den eigenen Verbündeten rumpelt, sucht die US-Politik Wege zur Annäherung an das Reich der Mitte. Ein Entgegenkommen in der Korea-Frage würde die Chancen zu besseren Beziehungen zu China erhöhen. Das bevölkerungsreichste Land ist die eigentliche Atommacht in der Region. China scheint in den Augen der kapitalistischen Welt ein Markt der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein. Amerika möchte ganz vorn mitspielen bei der Jagd um Profite in Asien. Und da stehen die USA in scharfer Konkurrenz mit Japan und Südkorea.
Die Vereinigung der koreanischen Halbinsel dürfte bei den Gesprächen keine Rolle spielen. Nordkorea hat stets deutlich gemacht, dass dies eine Angelegenheit ist, die nur die beiden koreanischen Staaten etwas angeht.
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