Blut und Weißwurst
Personalie
Ein Politiker, der über einen journalistischen Meinungsbeitrag so verärgert ist, dass er seine Teilnahme an einer Konferenz absagt, an der auch die Autorin des Artikels teilnimmt: klingt ganz nach US-Präsident Donald Trump oder Recep Tayyip Erdogan. Tatsächlich heißt die beleidigte Leberwurst bzw. Weißwurst in diesem Fall aber Horst Seehofer. Der Bundesinnenminister hat sein Ressort um die Zuständigkeit Heimat erweitert und überraschend seine Teilnahme am Integrationsgipfel im Kanzleramt abgesagt. Von Journalisten gefragt, warum er dem Gipfel am Mittwoch fernbleiben wolle, soll der ehemalige bayerische Ministerpräsident die Kopie eines Artikel der türkischstämmigen Journalistin Ferda Ataman aus dem Jackett gezogen haben. In dem Beitrag »Deutschland, Heimat der Weltoffenheit« setzt sich Ataman kritisch mit dem Heimatbegriff Seehofers auseinander: »Politiker, die derzeit über Heimat reden, suchen in der Regel eine Antwort auf die grassierende ›Fremdenangst‹«. In diesem Kontext könne Heimat nur bedeuten, dass es um »Blut und Boden« geht.
Damit sah sich Seehofer in die ideologische Nähe der Nazis gerückt und reagierte verschnupft. Dabei war der Artikel Atamans lediglich in einem »taz«-Beileger der Amadeu-Antonio-Stiftung erschienen. Ataman selbst ist aber deutlich präsenter. Seit April ist die 1979 in Stuttgart geborene Politikwissenschaftlerin als Kolumnistin für »Spiegel Online« tätig. Zuvor machte sie sich vor allem als Netzwerkerin einen Namen. So ist sie Mitbegründerin der »Neuen deutschen Medienmacherinnen«, die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen, also die bislang in den Redaktionsstuben unterrepräsentierten »Menschen mit Migrationshintergrund« unterstützen.
Zudem ist Ataman Sprecherin der »Neuen Deutschen Organisationen«, einem Netzwerk von mehr als 100 Initiativen von Menschen aus Einwandererfamilien. In dieser Funktion durfte sie am Integrationsgipfel teilnehmen und saß am Mittwoch in unmittelbarer Nähe zur Kanzlerin, die auch im Clinch mit Seehofer liegt.
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