Hitzschlag für Feld, Wald und Flur
April und Mai waren viel zu warm, die Trockenheit treibt die Landwirte zur Verzweiflung
Zwischenzeitlich hat das Wetter den Berlinern und Brandenburgern eine Verschnaufpause gegönnt, nachdem die Temperaturen in den Vorwochen anhaltend hochsommerliche Werte um 30 Grad erreicht hatten. Gewitter und Regen hatten für Abkühlung gesorgt, doch schon am Wochenende waren die Temperaturen wieder gestiegen. Temperaturen von 27 Grad, wie mancherorts wieder gemessen, liegen sieben Grad über dem Mittelwert der vergangenen 30 Jahre, wie eine Sprecherin des Deutschen Wetterdienstes (DWD) dem »neuen Deutschland« sagte. Auch wenn die Temperaturen jetzt wieder leicht sinken sollen, sei es im Vergleich zum Klimamittel noch immer zu warm.
Dass die Temperaturen seit Wochen außergewöhnlich hoch sind, belegten die Daten der meisten Messstationen des DWD, die im Mai neue Rekordtemperaturen meldeten. Mit einem Temperaturdurchschnitt von 16 Grad war der Mai etwa 3,9 Grad wärmer als der Durchschnitt der Referenzperiode 1961 bis 1990. Damit war der diesjährige Wonnemonat der heißeste seit 1881. Vor allem in Berlin bekamen das die Menschen zu spüren. Berlin war bundesweit das Land mit den höchsten Temperaturen im Mittel, auch wenn ihm das Thermometer laut dem DWD-Meteorologen Bodo Wichura keine neuen Temperaturrekorde bescherte.
Rekordverdächtig war das Wetter auch im April. Seit Beginn der Aufzeichnungen 1881 war kein April so warm wie der in diesem Jahr, bundesweit lag die Durchschnittstemperatur bei 12,4 Grad. Das sind laut DWD fünf Grad mehr als der langjährige Mittelwert der international gültigen Vergleichsperiode von 1961 bis 1990. Berlin und Brandenburg teilten sich im April die Rang eins und zwei der wärmsten Bundesländer.
»Zwei wärmste Monate in Folge, das gab es noch nicht seit Beginn von Wetteraufzeichnungen 1880«, sagt Meteorologe Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das sei ein ausgesprochen seltenes Ereignis, bestätigt auch der DWD.
Die anhaltend hohen Temperaturen trieben den Menschen nicht nur die Schweißperlen auf die Stirn, sondern hielten auch Bauern und Feuerwehren auf Trab. »In manchen Regionen hat es im gesamten Monat Mai nicht geregnet, überhaupt nicht geregnet«, hatte Tino Ernstling, Sprecher des Landesbauernverbandes Brandenburg, bereits Ende Mai im rbb beklagt. Besonders betroffen sei der Landkreis Ostprignitz-Ruppin, wo die Betriebe mit erheblichen Ertragseinbußen rechnen. Und schon zu diesem Zeitpunkt ging es nicht nur um Raps, Weizen, Roggen und Gerste. Die Trockenheit setzte auch Grünland und Mais zu. In Berlin-Brandenburg fielen im Mai im Durchschnitt 20,3 Millimeter Niederschläge. Das ist deutlich weniger als der langjährige Mittelwert von rund 55 Millimetern, den der DWD von 1981 bis 2010 für Berlin-Brandenburg ermittelt hat.
Am Donnerstag legten die im sächsischen Schkeuditz versammelten Agrarminister und Bauernpräsident der ostdeutschen Länder nach. »In zahlreichen Regionen, insbesondere auf den leichten, sandigen Standorten mit Bodenwertzahlen unter 45 Bodenpunkte sind erhebliche Schäden durch die lang anhaltende Trockenheit zu verzeichnen«, erklärte dort Wolfgang Vorgel, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. »Die Niederschläge der letzten Tage traten regional stark differenziert und zum Teil unwetterartig auf. Eine Ertragswirksamkeit daraus ist kaum noch zu erwarten.« Hinzu kämen durch extreme Starkniederschläge verursachte Schäden.
In der vom Landesbauernverband Brandenburg verbreiteten Erklärung heißt es weiter, dass die aktuelle Witterungslage vielerorts zu einem extrem frühzeitigen Erntebeginn führe. »Die Wintergerstenbestände befinden sich auf leichten Standorten bereits in der Notreife. Mindererträge gegenüber dem Vorjahr von 30 bis 50 Prozent und vereinzelt bis zum Totalausfall sind besonders bei Wintergerste, Raps, Winterweizen und Sommergetreide die Folge.« Auch ließen Qualitäteinbußen Mindererlöse befürchten. Verluste drohten auch durch eine unzureichende Futterversorgung der Tierbestände.
Aufgrund der langen Trockenheit wächst die Waldbrandgefahr. »In diesem Jahr sind schon 160 Brandmeldungen in Brandenburg aufgelaufen«, sagte dieser Tage Raimund Engel, der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes. 2017 zählte er brandenburgweit nur 138 Waldbrandmeldungen. Noch sei die Lage nicht besonders kritisch. »Aber die richtig heißen Monate stehen uns noch bevor«, so Engel. Sollte sich der gegenwärtige Trend fortsetzen, müssten sich die Feuerwehren auf jede Menge Arbeit einstellen. Allerdings habe sich die Früherkennung von Bränden deutlich verbessert, seitdem in den Wäldern flächendeckend Sensoren zur Branderkennung eingesetzt werden, erklärt Engel. Die könnten selbst Brände in 20 Kilometer Entfernung registieren.
Die gegenwärtigen Wetterphänomene könnten eine Folge des Klimawandels sein. »Da sich die Arktis doppelt so stark erwärmt wie der globale Durchschnitt, verringern sich dadurch die Temperaturunterschiede zwischen Pol und Äquator«, erklärt PIK-Meterologe Hoffmann. Vor allem im Sommerhalbjahr komme es deshalb zur Abschwächung der Westwinde in unseren Breiten. »Somit können Hoch und Tief über Europa länger an Ort und Stelle verweilen«, sagt er. Diese Entwicklung begünstige sowohl Hitzewellen als auch Phasen mit wiederkehrenden Starkregenereignissen.
Einzelne Wetterlagen bestätigen zwar noch lange keinen Trend. Allerdings belegen die jüngste Hitzewelle und die damit einhergegangenen Unwetter die Annahmen der Wissenschaftler zum fortschreitenden Klimawandel: Die Temperaturen werden weiter steigen. Einerseits werden Trockenperioden zunehmen, andererseits werden heftige Regenfälle häufiger und intensiver.
»Viele regionale Klimasimulationen für Europa, Deutschland und Brandenburg zeigen uns deutlicher als jemals zuvor, wohin der Weg geht, wenn wir weiter machen wie bisher und den Klimaschutz nicht ernst genug nehmen«, warnt Meterologe Hoffmann. Das Potsdamer Klimainstitut konstatiert, dass sich die Jahresdurchschnittstemperatur in Berlin-Brandenburg bereits um ein Grad erhöht hat. »Zwei Grad mehr bis zur Mitte des Jahrhunderts und vier Grad mehr bis 2100 gegenüber dem Zeitraum 1971 bis 2000 werden dann wahrscheinlich«, sagt Hoffmann. Extreme Hitzesommer wie 2003 könnten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zur Normalität gehören.
Auch die Verteilung der Regenmengen wird sich den Klimamodellen zufolge über das Jahr verändern. »Intensivere Niederschläge an weniger Tagen im Jahr erhöhen die Risiken sowohl für Trockenheit als auch für lokale Überschwemmungen nach Starkregen«, sagt Hoffmann. Keine Region in der Bundesrepublik sei sicher.
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