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Huh und Hach
Lionel Messi verzweifelt an Island, Cristiano Ronaldo frohlockt gegen Spanien
Gibt es bessere Aufbaugegner zum Start in ein Turnier als beispielsweise das kleinste Land, das je an einer Fußball-WM teilnahm? Und dann auch noch bei dessen Debüt auf der großen Bühne des Weltfußballs? Oh ja, dürfte sich Lionel Messi gedacht haben, als er am Samstagnachmittag nach getaner Arbeit in den Spielertunnel der Spartak-Arena lief, mit versteinerter Miene. 90 Minuten lang hatten der Kapitän und seine Kollegen vom Team Argentinien die isländische Abwehr bearbeitet. Beharrlich hatte er mit den Kollegen Javier Mascherano, Angel di Maria und Co. den Ball in Richtung Island-Keeper Hannes Thor Halldorsson getrieben, dabei 72 Prozent Ballbesitz erzeugt und unter anderem beim Stand von 1:1 einen Elfmeter herausgeholt.
Doch seine Hoheit Lionel Messi versagte nicht nur im Duell vom Punkt, als Halldorson seinen halbhoch geschossen Strafstoß parierte (64. Minute), sondern vor allem auch als Ideengeber und Vollstrecker. Die Isländer doppelten den Star des FC Barcelona immer wieder unerbittlich, so dass er weder mit dem starken linken Fuß zum Abschluss kam, noch zwingende Pässe in die Mitte gelangen. Und dann auch noch der verpatzte Elfmeter - es war nicht sein Tag: »Nach dem Fehlschuss habe ich mich wie tot gefühlt«, sagte Messi, nachdem das Spiel beim Stand von 1:1 abgepfiffen worden war. Auf der sonnigen Gegentribüne hingegen feierten die Isländer, wie Isländer eben Fußball feiern - klatschend und laut vernehmlich: Huh, huh, huh, huh!
Fest steht, dass das Aufeinandertreffen des Vizeweltmeisters mit der Auswahl der 330 000-Einwohner-Insel schon jetzt zu den Klassikerspielen dieses Turniers gehört: 44 000 Menschen füllten die Ränge der Otkrujitje-Arena, in der sonst Spartak Moskau seine Spiele austrägt - ein Meer in Albiceleste mit ein paar mittelblauen Einsprengseln. Die Argentinier sangen ihre Lieder und die Isländer hielten mit dem »Wikinger-Klatschen« dagegen. In Sachen Stimmung liegt die Latte ja seit der WM 2014 in Brasilien sehr, sehr hoch. Am Sonnabend allerdings zeigte sich, das in Russland auch einiges möglich sein sollte.
Spielerisch auf einem vollkommen anderen Niveau bewegten sich am Freitagabend schon die Portugiesen und die Spanier, die in Sotschi im Fischtstadion in der Vorrundengruppe B aufeinander trafen. Zwar endete auch dieses Match nur unentschieden, das 3:3 hätte angesichts seiner Brillanz aber gerne auch 180 Minuten dauern dürfen. Das lag zum einen natürlich an Cristiano Ronaldo, der im Wettstreit um die Krone des Weltfußballers 2018 seinen Vorsprung auf Lionel Messi vergrößert hat. Drei Mal traf Real Madrids Offensiv-Beau gegen die Spanier.
Vor allem begeisterten jedoch die Spanier, die in ihrer Spielweise an die ganz großen Auftritte in der jüngsten Vergangenheit erinnerten. Wer zusah, wie sie, angeleitet von David Silva und Altmeister Andres Iniesta, den Ball durch die eigenen Reihen zirkulieren ließen, musste unweigerlich an die schönsten Jahre der Roten Furie denken - 2008 bis 2012, also die Zeit, in der man die größten Erfolge einfuhr, Europameister, Weltmeister, Europameister. Am Freitag nun gab es mal wieder das Tiki-Taka in Reinform - lange nicht mehr so schön gesehen. Hach.
Allerdings durfte sich nach dem Abpfiff im Fischtstadion von Sotschi der 33-jährige Ronaldo am allermeisten auf die Brust klopfen: Er ist nun der vierte Spieler, der bei vier WM-Turnieren jeweils getroffen hat. Das schafften zuvor nur Pelé, Uwe Seeler und Miroslav Klose. Mit seinem späten Ausgleich zum 3:3 legte er auch seinen Freistoßfluch bei internationalen Turnieren endlich ab: Beim 46. Versuch gelang ihm der erste Treffer.
Während sich die einheimischen Medien mit Lob überschlugen, blieb Portugals Anführer gelassen: »Das ist ein weiterer schöner Erfolg in meiner Karriere, aber die WM hat gerade erst begonnen«, kündigte CR7 an. Der Weltmeistertitel fehlt dem Ausnahmestürmer noch in seiner einmaligen Trophäensammlung, aus der fünf Champions-League-Siege und der Europameistertitel herausragen.
In Spanien hatte man vor dem Match wirklich allerlei versucht, um Ronaldo aus der Spannung zu bringen: Oder war es wirklich Zufall, dass die Zeitung »El Mundo« nur einen Tag zuvor in Erfahrung gebracht hatte, dass Ronaldo sich in Sachen Steuerhinterziehung mit der spanischen Staatsanwaltschaft geeinigt hat? Demnach soll Ronaldo eine Gefängnisstrafe von 24 Monaten akzeptiert haben (in Spanien werden Strafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt), ebenso die Zahlung von 18,8 Millionen Euro. Ronaldo äußerte sich in Sotschi mit keinem Wort zu dem El-Mundo-Berichten. Auf dem Spielfeld konnte ihm all das eh nichts anhaben.
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