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Hat Merkel einen Plan B?

Im Asylstreit zwischen CDU und CSU betont die Kanzlerin, sie halte an einer »europäischen Lösung« fest. Doch die EU ist in der Flüchtlingspolitik gespalten

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 4 Min.

Sowohl die CDU als auch ihre bayerische Schwesterpartei CSU verfolgen grundsätzlich dasselbe Ziel: Es sollen weniger Geflüchtete nach Deutschland und überhaupt in die EU kommen. Was dafür nun getan werden und mit wem es abgestimmt sein müsste, darum dreht sich der aktuelle Streit zwischen den beiden Parteien. Innenminister Horst Seehofers (CSU) Drängen, Schutzsuchende, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, ab sofort an der Grenze abzuweisen, lehnt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab mit dem Verweis, sie wolle (weiterhin) eine europäische Lösung - und beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni dafür werben.

Bei dem Treffen könnte es auch um bilaterale Abkommen gehen, die Merkel offenbar als Plan B für vorstellbar hält. Dabei geht es um Abkommen über Grenzschutz und Flüchtlingsverteilung, die beispielsweise mit Italien geschlossen werden könnten, so wie Frankreich es bereits getan hat. An der Grenze zwischen beiden Ländern hält die französische Grenzpolizei aus Italien kommende Geflüchtete davon ab, französischen Boden zu betreten. Da dies an sich gegen die EU-Freizügigkeit verstößt, wurde schon vor vielen Jahren eine Vereinbarung unterzeichnet.

Im Streit um das Hilfsschiff »Aquarius« richtete der italienische Innenminister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega schwere Vorwürfe an Frankreich. Das Land habe 2017 an der Grenze mehr als 10 000 Menschen abgewiesen, aber seit drei Jahren nur 624 statt der vereinbarten 9000 Flüchtlinge von Italien übernommen. Hilfsorganisationen berichten zudem von Gewalt an der italienisch-französischen Grenze, die sich auch gegen Kinder richte.

Um die Flüchtenden davon abzuhalten, überhaupt das Territorium der EU zu betreten, hatten sich am Freitag Italiens neuer Ministerpräsident Giuseppe Conte und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für die Bearbeitung von Asylanträgen in den Herkunftsländern ausgesprochen. »Wir sollten europäische Zentren in den Herkunftsländern schaffen«, sagte Conte nach einem Arbeitsessen mit Macron in Paris. »Dublin funktioniert nicht. Ich bin für eine völlige Neugründung dieses Systems«, betonte Macron. Dass dies beim kommenden EU-Gipfel gelingt, ist derzeit allerdings schwer vorstellbar.

Mit einer Vielzahl solcher bilateraler Abkommen wie zwischen Paris und Rom und Widerständen wie die der Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn würde Merkels »europäische Lösung« in weitere Ferne rücken. Wenn sie also, wie in den vergangenen Tagen, Zurückweisungen an den Grenzen nur im Rahmen solcher Abkommen für vorstellbar hält, ist es nicht das, was die Kanzlerin anstrebt, sondern höchstens ein in Aussicht gestellter Kompromiss, um ihre Koalition zu retten.

Unterstützung für eine »europäische Lösung« erhält Merkel derzeit von Griechenlands linkem Premier Alexis Tsipras, der in der »Welt am Sonntag« Lob für ihren Kurs aussprach. Rückendeckung kann die Kanzlerin gebrauchen, denn wenn sie von einer »europäischen Lösung« spricht, wird sie eine »Koalition der Willigen« im Sinn haben. Dass der gesamte Staatenbund an einem Strang zieht, kann sie sich nicht erhoffen.

So ist die Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland gescheitert, die im September 2015 von den Justiz- und Innenministern der EU beschlossen worden war. Dies geschah gegen den Willen Rumäniens, Tschechiens, Ungarns und der Slowakei. Im September 2017 urteilte der Europäische Gerichtshof zwar, dass dies rechtens gewesen sei. Das änderte jedoch nichts an der Weigerung einiger EU-Länder, Geflüchtete aufzunehmen, um so Italien und Griechenland zu entlasten.

Merkel, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und auch Macron haben stets »Solidarität« aller EU-Staaten eingefordert. Zurückgewiesen wird dieser Weg indes nicht nur von der Visegrád-Gruppe. Beim EU-Gipfel im Dezember sorgte auch Ratspräsident Donald Tusk für Unruhe, weil er in seiner Einladung die bisherige verpflichtende Umverteilung als »extrem spalterisch« und »ineffektiv« bezeichnete. Das war ein offener Affront gegen Merkel. Beim selben EU-Gipfel verkündete Ungarns Premier Viktor Orbán stellvertretend für die Visegrád-Staaten, man wolle 35 Millionen Euro für ein von Italien geleitetes Projekt zur »Grenzsicherung« in Zusammenarbeit mit Libyen investieren, das Flüchtlinge aus Afrika aufhalten soll. Ganz ähnlich klang der österreichische Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), als er nach einem Treffen mit Horst Seehofer am 13. Juni unter anderem betonte, die europäische Grenzschutzagentur Frontex müsse »gestärkt« werden.

Dies - und auch Abkommen mit außereuropäischen Transitstaaten - lehnt Merkel gar nicht grundsätzlich ab. Im Gegenteil - der Plan der EU-Kommission, Abkommen mit nordafrikanischen Staaten wie Ägypten, Tunesien, Libyen oder Marokko zu schließen, um so ein EU-Grenzregime umzusetzen, besteht weiterhin.

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