Diamanten aus dem Krematorium
Kirchen wehren sich gegen die geplante Modernisierung des Bestattungsrechts
Kurz vor der Abstimmung über das neue Bestattungsrecht im brandenburgischen Landtag haben die Kirchen scharf gegen beabsichtigte Änderungen protestiert. Vor allem die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, die Asche oder einen Teil der Asche zu entnehmen, um daraus Mini-Urnen, Diamanten, Medaillons oder anderen Schmuck als Erinnerungsstück an den Verstorbenen anfertigen zu lassen, stößt auf prinzipiellen Widerspruch.
Auf einer Pressekonferenz am Montag im Potsdamer Landtagsschloss befürworten dagegen die Vertreter des Bestattungswesens prinzipiell »neue, moderne Formen« im Umgang mit sterblichen Überresten. Am Donnerstag soll das Parlament eine Entscheidung fällen. In verschiedenen Bundesländern laufen ähnliche Gesetzesvorhaben.
Gerd Rothaug, Vertreter des Berufsverbandes privater Krematorien, bestätigte prinzipiell das Festhalten an der Friedhofsbenutzungspflicht, wie es im Gesetzentwurf auch vorgesehen ist. Er trat aber für die Genehmigung ein, einen Teil der Asche von Verstorbenen zur genannten Verwendung entnehmen zu können. Ein aus dieser Asche angefertigter Gegenstand könne für Hinterbliebene »Mama oder Oma« nach dem Tode darstellen, für die Trauerbewältigung wichtig sein und eine hohe Bedeutung haben. Blieben solche Varianten in Deutschland weiter verboten, würden die Angehörigen mit ihrem Anliegen in die Schweiz, die Niederlande oder nach Tschechien gehen, um bei dem dortigen liberalen Bestattungsrecht ihre Vorstellungen doch erfüllt zu bekommen.
Den Kirchen warf Rothaug vor, »den Bezug zur Realität verloren« zu haben. Er trat dafür ein, die Friedhöfe selbst darüber entscheiden zu lassen, ob sie bei der traditionellen Erd- und Feuerbestattung bleiben oder neue Wege gehen. »Die Feuerbestattung ist die ökologischste Form der Beerdigung, und es ist unsere Pflicht, das zu fördern«, sagte Rothaug.
Rüdiger Kußerow, Obermeister der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg, stellte die Frage in den Raum, ob Politik oder Kirchen über die Bestattungsformen entscheiden sollten oder die Angehörigen. Der heute oft weit gereiste Mensch bringe aus fernen Ländern Anregungen mit und wolle mit Neuerungswünschen ernstgenommen und nicht reglementiert werden. Es könne sein Wunsch sein, dass die Asche im irischen Dublin ins Meer verstreut oder auf einer Alm beerdigt werde, wo er im Urlaub gern gewandert sei.
Die Kirchen dagegen machten geltend, dass keineswegs sicher sei, dass die Wünsche der Angehörigen dem Willen des Verblichenen entsprechen. Es sei nicht egal, ob ein Teil der Asche kommerziell verwertet wird, sagte Martina Köppen, Leiterin des katholischen Büros Berlin-Brandenburg. Die Asche als Überbleibsel eines Menschen dürfe nicht zu einer Ware oder Sache gemacht werden, die von einzelnen Personen in Besitz genommen werden könne. Bezogen auf das Ausland und den drohenden Verlust von »Geschäftsfeldern« mahnte sie, das sei nicht die Ebene, auf der debattiert werden sollte. Die Statur von Menschen sei verschieden, so auch die Menge der Asche, die sein Körper hinterlasse. Der zu entnehmende Anteil für einen zu produzierenden Diamanten sei also sehr unterschiedlich, vor allem, wenn mehrere Erben ein solches Ansinnen hätten. Ganz zu schwiegen davon, dass der Umgang mit sterblichen Überresten »von niemandem kontrolliert« werden könnte. Wie solle das funktionieren? »Du kannst meinen Fuß haben, du meine Hand?« Aschestreuwiesen müssten einen Zaun haben, der verhindert, dass der Wind die Asche sonst wohin trägt. »Nicht jede moderne Bestattungsform ist erstrebenswert.«
Für eine grundsätzliche Bestattungspflicht auch totgeborener Föten trat Pfarrer Martin Vogel ein. Die großen Fragen des Anfangs und Endes eines menschlichen Lebens sollten nicht in »Grammzahlen« aufgelöst werden, unterstrich der evangelische Theologe mit kritischem Blick auf die brandenburgische Gesetzesnovelle. Er verwies darauf, dass man in der Praxis der Krankenhäuser »schon weiter« sei und alle sterblichen Überreste gleich welchen Gewichts würdig an einem dafür vorgesehenen Ort beerdige. Es sollte um Bestattung in jedem Falle gehen, nicht um Beseitigung. Für ihn sei nicht akzeptabel, dass Teile der Überreste von Verstorbenen »versachlicht« und von Angehörigen in Besitz genommen werden. Es sei fraglich, ob dies mit der Menschenwürde in Einklang stehe. Falls der Gesetzentwurf vom Landtag beschlossen wird, wollen die Kirchen »in Ruhe« prüfen, ob sie dagegen klagen. Die Würde des Menschen sei ein von der Landesverfassung geschütztes Gut, heißt es.
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