Offensive auf Hafenstadt Hodeidah

Jemen: Regierungstruppen nehmen eine der wichtigsten Lebensadern des Landes ins Visier

  • Oliver Eberhardt, Tel Aviv
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Montag morgen legte im Hafen von Hodeidah ein Schiff an; an Bord befänden sich medizinisches Gerät, Medikamente, aber auch Essensrationen, sagt ein Sprecher des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, doch es falle zunehmend schwerer, die Schiffe sich in den Hafen zu bringen, und noch schwerer sei es, die Ladungen zu löschen. Fast unmöglich ist es allerdings nun, die Güter aus der Stadt hinaus zu bringen.

Denn rund um die 600 000 Einwohner-Stadt haben Truppen der international anerkannten Regierung unter Führung des im Ausland lebenden Präsidenten Abd Rabbo Mansur al Hadi mit einer Offensive auf die Stadt begonnen. Unterstützt werden sie dabei von einer von Saudi-Arabien dominierten internationalen Militärallianz. Am Wochenende vermeldete man nun einen ersten Erfolg: Man habe den Flughafen der Stadt erobert.

Schon seit Wochen waren die Hadi-Truppen in die von den Huthi-Milizen kontrollierte Provinz vorgerückt, hatte die saudische Luftwaffe Städte und Dörfer bombardiert. Die Begründung der saudischen Militärsprecher ist stets: In den Dörfern hätten »Terroristen«, so nennt man die Huthi-Milizen dort, Zuflucht gesucht.

Die Huthi-Milizen indes lassen Landminen und Sprengfallen zurück, berichten Mitarbeiter des Roten Halbmondes, der Vereinten Nationen und einheimische Journalisten unabhängig voneinander. Und auch Sprecher der Huthi-Führung in Sana’a bestreiten diese Praxis nicht: Man müsse den Regierungstruppen das Vorrücken so schwer wie möglich machen. Was Bombenangriffe, was Landminen allerdings vor allem Zivilisten antun, darüber wollen weder die Hadi-Regierung noch die Huthi-Milizen und auch nicht das saudische Verteidigungsministerium sprechen: »Der Schutz von Zivilisten hat größte Priorität«, lautet die Standardantwort - auf die dann stets Vorwürfe an die jeweils andere Seite folgen.

Dass Hadi-Regierung und die Militärallianz nun nach Jahren des militärischen Stillstandes in der Provinz auf Hodeidah vorrücken, liegt vor allem an Iran: Vor allem Saudi-Arabien und die Vereinigten Staaten, die die Militärallianz mit Informationen und Logistik unterstützen, werfen Iran vor, die Huthi-Milizen militärisch zu unterstützen; man befürchtet, dass die iranischen Revolutionsgarden im Jemen eine Basis aufbauen wollen, um nach der Aufkündigung des Atom-Abkommens durch US-Präsident Donald Trump den Druck zu erhöhen.

Denn die Region ist strategisch wichtiger, als es auf den ersten Blick scheint: Nicht nur ist Hodeidah eine der wichtigsten Lebensadern des Jemen. Über den Hafen wird ein Großteil der Güter ins Land geliefert. Die Stadt liegt auch am Bab al Mandab, jener Meerenge, durch die alle Schiffe auf dem Weg vom oder zum Suez-Kanal sowie in die israelische Hafenstadt Eilat müssen. Man befürchtet also eine Blockade einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt.

Der UNO-Sicherheitsrat forderte in der vergangenen Woche, der Hafen müsse geöffnet bleiben, dürfe nicht angegriffen oder bombardiert werden. Gleichzeitig verhandelt Martin Griffiths, der UNO-Sondergesandte für den Jemen, mit den Konfliktparteien über die Stationierung von UNO-Friedenstruppen auf dem Hafengelände. Am Wochenende traf Griffiths zudem in Sana’a ein, um mit der Führung der Huthi-Milizen über eine Rückkehr an den Verhandlungstisch zu sprechen.

Sein Plan: Die Huthi-Milizen sollen Raketen abgeben, mit denen seit einigen Monaten immer wieder saudische Städte angegriffen werden. Die saudische Regierung teilte mehrmals mit, es seien auch Raketen außerhalb der Hauptstadt Riad eingeschlagen, und wirft Iran vor, diese Raketen geliefert zu haben.

Die iranische Regierung bestreitet das: Es handele sich um Waffen, die von den Huthi selbst hergestellt worden seien. Im Gegenzug für eine Abrüstung soll Saudi-Arabien auf Luftangriffe verzichten, so Griffiths. Zudem schlägt er die Bildung einer Übergangsregierung vor, in der alle Beteiligten »angemessen« vertreten sein sollen.

Doch vor allem die Hadi-Regierung, die trotz der Offensive bis heute nur höchstens ein Drittel des Landes kontrolliert, lehnt eine Machtteilung ab: Die Huthi müssten ihre Waffen »vollständig und ausnahmslos« ablegen, so ein Sprecher.

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