Bio-Methan statt Erdgas

Beim Rundgang durch den Möckernkiez werden Widersprüche der Energiewende deutlich

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 4 Min.

Öko ist teuer. Das weiß jeder, der gelegentlich im Bioladen einkauft. Andere sagen, der höhere Preis sei »angemessen«. So denkt auch Dieter Wettig, 62 Jahre, der seit Mitte Juni im Genossenschaftsprojekt Möckernkiez wohnt und die mangelnde Ökologie in diesem Projekt beklagt. Wettig sagt: »Mich stört einfach, wenn ökologisch geredet, aber anders gehandelt wird.«

Auf 30.000 Quadratmetern entstand an dieser Stelle in den vergangenen Jahren ein Quartier mit rund 500 Wohnungen, einem Bio-Supermarkt, einer kleinen Kita, Läden und Gemeinschaftsräumen. Die Idee hatten 2007 einige Stadtteilaktivisten. Sie wollten vermeiden, dass das Gelände, welches damals zum Verkauf stand, an einen Großinvestor geht. Inzwischen, nach großen Auf und Abs, ist der Bau weitgehend abgeschlossen.

Frank Nietzsche, Vorsitzender der Genossenschaft, lenkt mit einem Team seit rund drei Jahren die Geschicke der Genossenschaft. Er selbst hat Betriebswirtschaft studiert und über 30 Jahre in der Wohnungswirtschaft gearbeitet. Nietzsche steht auf der Dachterrasse des Gebäudes G15 am Nordrand der Anlage - kneift die Augen zusammen, als die Sonne durch die Wolken kommt. Sein Blick streift über den Park am Gleisdreieck. Er hebt die »Vernunft und Umsichtigkeit« der Mitglieder hervor, die das Projekt ermöglicht haben. Sie akzeptierten auch die Preissteigerungen der Vergangenheit. Stolz berichtet er: »Das hier ist Passivhausstandard.« Heißt: 28 Zentimeter Dämmung und dreifach verglaste Fenster. Eine Zwangsbelüftung sorgt dafür, dass in den Wohnungen ein stetiger Luftaustausch stattfindet. Auf den Dächern habe man Solarzellen zur Stromgewinnung installiert, und im Keller stehe ein Blockheizkraftwerk, das mit Bio-Methan Strom und Wärme erzeuge.

Dieter Wettig steht dabei und ärgert sich. Widersprüche kann er nach eigener Aussage nicht ertragen, und hier sieht er gleich einige. Wettig war Allgemeinarzt in Wiesbaden, ist der Familie zuliebe nach Berlin gezogen. »Mich ärgert«, sagt Wettig, »dass nur ein Teil der Heizwärme mit Biogas erzeugt wird.« Knapp 40 Prozent seien klassisches Erdgas. »Uns wurde gesagt, dass wir diese CO2-Emissionen kompensieren, aber konkrete Unterlagen dafür liegen mir nicht vor.« Außerdem stören Wettig die vielen Styropordämmstoffe, die vor allem in Erdnähe genutzt wurden, sowie die hohe Versiegelung im Quartier. Außerdem sei der von der Naturstrom AG angebotene Tarif »eher hochpreisig«.

Maximilian Seget, Projektingenieur bei Naturstrom, und Tim Meyer, Vorstandsmitglied, haben durchaus Verständnis für die Anliegen des Mieters. Naturstrom hat an diesem Mittwoch den Rundgang zur Energiewende durch die Wohnanlage organisiert. Das Unternehmen hatte einst die Ausschreibung zum Betrieb des Blockheizkraftwerks, der Gaskessel und der Photovoltaikanlagen gewonnen. Das Unternehmen möchte damit unter anderem das Konzept Mieterstrom propagieren und die Erzeugung erneuerbaren Stroms in die Städte bringen. »In den Metropolen sind die Lastzentren. So muss der Strom nicht über lange Trassen transportiert werden«, sagt Meyer.

Seget zeigt auf ein Display in einem Kellerraum der Anlage. Ein vier Meter langer und zwei Meter hoher grauer Kasten, das Blockheizkraftwerk, ist das Herzstück der Wärme- und Stromproduktion. Vier große Pufferspeicher und zwei Zusatzkessel für Stoßzeiten - das ist schon alles, um 500 Wohneinheiten mit Heizwärme zu versorgen. Er erklärt: »Die Herausforderung ist, sich in der umfangreichen Förderlandschaft zu orientieren, die rechtlichen Hürden zu umschiffen und ein preiswertes Angebot zu machen.« Hier war der Energiestandard »KfW40« gefordert, darum konnte man zum Beispiel keine Fernwärme nutzen.

»Ja, der Preis hat uns gefallen«, bestätigt Nitzsche. »Das hier ist ein Leuchtturmprojekt.« Dieter Wettig ist davon nur zum Teil überzeugt: »Man hätte auch einfach zertifizierten Ökostrom von einem anerkannten Anbieter beziehen können, dann hätte man sich den ganzen Aufwand sparen können.«

Maximilian Seget hingegen betont, dass Naturstrom seine Aufgabe gerade darin sehe, die Kapazitäten für Ökostrom zu erhöhen. Wettig nickt, sagt aber später: »Ich werde weiterhin meinen Strom von EWS beziehen. Mit dieser Firma habe ich langjährig gute Erfahrungen gemacht.« Außerdem plant er, bei einer der nächsten Mitgliederversammlungen vorzuschlagen, dass die Spitzenlastkessel auch vollständig mit Bio-Methan betrieben werden. »Das würde nach meiner Rechnung rund acht Euro mehr im Monat pro Wohnung kosten. Das ist nicht viel.« Ein Vorschlag, der zumindest auch bei Naturstrom auf offene Ohren trifft.

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