Privatisierung auf Eis gelegt

Nationale Fluggesellschaft Air India wird doch nicht verkauft

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Indiens Regierung rudert zurück und setzt die Privatisierung der nationalen Fluggesellschaft Air India (AI) für ein Jahr aus. Der Grund: Mangelndes Bieterinteresse und heftiger politischer Gegenwind.

Die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) von Premier Narendra Modi will vor allem Schaden von sich selbst abwenden. Denn spätestens im Mai 2019 muss das Parlament neu gewählt werden. Die Hindunationalisten können sich einen schlechten Deal ebenso wenig leisten wie das drohende Fiasko, mit dem Vorhaben am Ende vielleicht völlig Schiffbruch zu erleiden. Lieber kündigt man nochmals eine Finanzspritze an, zieht die Reißleine und hofft darauf, dass bald wieder Ruhe eingekehrt.

Gänzlich unbegründet ist diese Hoffnung nicht, die letzten Trends in der Bilanz des angeschlagenen Luftfahrtkonzerns zeigten sacht in positive Richtung. Unmittelbar vor der Pleite steht das Traditionsunternehmen nicht. Die goldenen Zeiten aber sind zweifellos vorbei. So ist der Marktanteil der Gesellschaft über die Jahre rapide gesunken. Auf den internationalen Verbindungen liegt er noch bei gut einem Zehntel, 13,3 Prozent sind es bei den Inlandsflügen, wo der schärfste Konkurrent IndiGo mit 39,7 Prozent inzwischen locker auf das Dreifache kommt.

Zudem werden die grundsätzlichen Probleme weiter verschleppt: AI sitzt auf einem gewaltigen Schuldenberg, den der Fernsehkanal NDTV Mitte April mit über 500 Milliarden Rupien (6,32 Milliarden Euro) bezifferte. Die Hindustan Times schreibt aktuell von 240 Milliarden Rupien Altschulden und weiteren 80 Milliarden Rupien offenen Verbindlichkeiten, für die ein Käufer aufkommen müsste. Diese Zahlen dämpfen das Interesse potenzieller Bieter beträchtlich. So versäumten die Konkurrenten IndiGo und Jet Airways ebenso ein Gebot abzugeben wie internationale Übernahmekandidaten vom Schlage Emirates oder Qatar Airways. Auch die Tata Group, Indiens traditionsreichster Mischkonzern, winkte ab. Da nützte es auch nichts, dass die Regierung die Ausschreibung Anfang Mai nochmals verlängert hatte. Nachdem auch bis zum 31. Mai kein ernsthaftes Gebot auf dem Tisch lag, wurde das Vorhaben nun für ein Jahr gestoppt.

Die Kritiker dürfen sich damit mindestens teilweise bestätigt fühlen. Und von ihnen gibt es reichlich. Selbst aus den eigenen Reihen gab es teils heftigen Widerstand. Die Oppositionskräfte monierten, dass die Regierung mit ihren Plänen vorgeprescht sei, statt das Vorhaben auf breiter Ebene zu beraten. Doch nicht nur die politischen Gegner des Premiers laufen Sturm, die Kritik reicht bis weit ins hindunationalistische Lager. Besonders aus dieser Ecke wird dem Kabinett unterstellt, »nationales Tafelsilber« zu verscherbeln. Subramanyam Swamy, ein namhafter BJP-Abgeordneter, drohte gar der eigenen Regierung, sie vor Gericht zu zerren, sollte sie die Privatisierungspläne nicht fallen lassen.

Für den Moment aufatmen können auch die rund 27 000 Beschäftigten der Airline. Die Gewerkschaften hatten ebenfalls zu den Kritikern gehört - denn unklar ist, welche Jobgarantien ein privater neuer Mehrheitseigner geben würde und könnte.

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