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  • Nach den Wahlen in der Türkei

Hupen für Erdogan

Wie Anhänger des türkischen Präsidenten dessen Wiederwahl in Deutschland feiern - Hand in Hand mit Faschisten

  • Sebastian Weiermann, Dortmund
  • Lesedauer: 4 Min.

20:45 Uhr am Sonntagabend, es beginnt laut zu werden in der Dortmunder Nordstadt. Immer mehr Autos fahren über den kreisrunden Borsigplatz, hupen, johlen und halten Fahnen aus ihren Fenstern. Aus einem grauen Kleinwagen, der über und über mit türkischen Flaggen behangen ist, wird ein rotes bengalisches Licht in die Luft gereckt. Der Wahlsieg von Recep Tayyip Erdoğan ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher und noch lange nicht offiziell bekannt gegeben. Aber das stört seine Anhänger nicht.

Im Ruhrgebiet sind die Anhänger der AKP eine Macht. Im Essener Konsulat hat Erdogan 76 Prozent der Stimmen geholt. Sein bestes Ergebnis in ganz Deutschland, wo im Schnitt 65 Prozent der Wähler für ihn votierten. »Wir wussten vorher, dass er gewinnt«, sagt ein junger Mann, der in Fußballklamotten zur spontanen Wahlparty am Borsigplatz gekommen ist. Das sei keine Anspielung auf Wahlfälschungen, erklärt er auf Nachfrage. Sowas habe es nicht gegeben. »Medienlügen« seien das und nicht mehr. Erdogan sei einfach ein »starker Politiker«. Deswegen sei klar, dass er gewinnen würde. Die anderen Kandidaten? Ein »Terrorist«, ein »Idiot« und für die einzig weibliche Spitzenkandidatin hat er nur eine geschlechtsspezifische Beleidigung üblich. Die Erdogan-Fans in Dortmund sind wie im Siegesrausch. Politische Gegner, Polizisten, die Straßenverkehrsordnung, das ist ihnen an diesem Abend alles egal. Insofern passen sie eigentlich ganz gut auf den Borsigplatz. Der große Platz aus der Gründerzeit ist auch die Geburtsstätte von Borussia Dortmund. Wenn der Bundesligist einen Titel gewinnt, wird hier gefeiert. Wenn Erdogan eine Wahl gewinnt auch. Das war schon bei den letzten Entscheidungen in der Türkei so.

Immer mehr Menschen kommen zusammen um Erdogan zu feiern. Insgesamt dürften es 400 bis 500 sein, die sich versammeln. Die meisten tragen die Flagge der Türkei. Einige AKP-Fahnen sind auch zu sehen. Dazu große Bilder mit dem Portrait Erdogans. Irgendwann reicht es den Menschen, am Rande des Platzes zu stehen. Sie gehen auf die Straße und umrunden den Platz zweimal. Dann versperrt ihren die Polizei, die mit dutzenden Streifenwagen, Beamten in Zivil und einem Hund vor Ort ist, den Weg. Es folgen Durchsagen auf Deutsch und Türkisch. Die Polizei könne »verstehen«, dass die Menschen feiern wollten. Sie sollten dies aber doch lieber auf dem Bürgersteig oder im Nahe gelegenen Hoeschpark tun.

Es dauert einen Moment, bis die Menge darauf reagiert. Vorher muss immer wieder melodisch »Recep Tayyip Erdoğan« gerufen, die PKK beschimpft, und die Größe Allahs beschworen werden. Dann setzen sich die Menschen in Bewegung. Allerdings laufen sie nicht in den von der Polizei zugewiesenen Park sondern in Richtung Innenstadt. Angeführt werden sie dabei von einer grünen Fahne mit drei Halbmonden. Sie stehe für die Größe der türkischen Völker und den Islam, erklärt einer der Fahnenträger. Seine Erklärung ist etwas knapp, kommt der Bedeutung der Fahne aber nahe. Eigentlich handelt es sich dabei um eine alte osmanische Kriegsflagge. In den letzten Jahren hat sie ein Revival erlebt. AKP-nahe Gruppen wollen mit ihr Anhänger der faschistischen Grauen Wölfe ansprechen. Deren Symbol sieht genau so aus, nur ist ihre Fahne rot.

Das Bündnis aus Islamisten und Faschisten, das bei den Wahlen erfolgreich war, spiegelt sich also auch auf den Straßen der Ruhrgebietsstadt wider. Gut 15 Minuten laufen die Erdogan-Anhänger. Kurz bevor es in die Innenstadt geht, hat die Polizei fast alles aufgeboten, was sie im Einsatz hat. Die etwa 20 Beamten stehen in einer Reihe, manch einer hat den Schlagstock schon in der Hand. Hektisch wird gefragt, wer noch ein »RSG-8«, gemeint ist ein großes Pfefferspray, im Auto hat. Ein Polizist läuft schnell zum Wagen und holt es. Zur Konfrontation kommt es dann aber nicht. Die türkischen Wahlsieger stoppen etwa 20 Meter vor den Beamten. Die winken einen jungen Mann herbei. Der kommt, es wird verhandelt. Dann nutzt der junge Türke den Lautsprecher eines Streifenwagens und macht eine Durchsage. Man müsse umkehren. Es soll nicht »eskalieren«. Die Menge hört auf ihn, dreht ab. Den Polizisten ist die Erleichterung anzusehen. Auf den Weg in den Park wird die Menge immer kleiner. Vielen reicht es, sie haben schon zwei Stunden für ihren Präsidenten Präsenz gezeigt. Hupende Autos hört man allerdings noch bis spät in der Nacht auch in ganz anderen Teilen der Stadt.

Erdoğan gewinnt laut Regierungszahlen viele Provinzen im Landesinneren, die CHP den liberaleren Westen und die HDP im Südosten
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