- Berlin
- Fachkräftemangel in Berlin
GEW will Lehrermangel bekämpfen
Bildungsgewerkschaft stellte eigenen Maßnahmenkatalog zur Fachkräftegewinnung vor
Um den Lehrkräftemangel in Berlin zu lindern, fordert die Bildungsgewerkschaft GEW die Einstellung von Verwaltungs- und Gesundheitspersonal an Schulen. »Wenn es die benötigten Lehrkräfte und Erzieher nicht gibt, dann muss der Senat alle anderen Potenziale ausschöpfen, um die Pädagogen zu entlasten«, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doreen Siebernik. Verwaltungskräfte, Ergotherapeuten oder Pflegekräfte könnten einen wichtigen Beitrag zur inklusiven Ganztagsschule leisten, so Siebernik weiter.
Die Forderung ist Teil eines Maßnahmekatalogs gegen den Fachkräftemangel an Schulen, den die GEW am Dienstag vorgestellt hat. Die Erarbeitung eines eigenen Positionspapiers sei notwendig geworden, weil das Mitte Juni von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vorgestellte Maßnahmenpaket »völlig unzureichend« sei, wie Siebernik erklärte. »Die von Scheeres vorgelegten Maßnahmen werden die zu erwartende Lücke in der Lehrkräfteausstattung der Berliner Schulen nicht heilen«, sagte die GEW-Landeschefin. Einige der im Senatspapier angedachten Maßnahmen wie etwa die Zulassung von Ein-Fach-Lehrkräften würden sogar die Errungenschaften der vergangenen Jahre konterkarieren.
Nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung fehlen an den Schulen derzeit etwa 500 bis 600 Lehrkräfte. Nach den Sommerferien braucht Berlin den Berechnungen zufolge rund 2150 Lehrer. Bisher hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) aber nur 900 reguläre Lehrkräfte einstellen können. 1250 Verträge sind demnach noch nicht unterschrieben. Von den circa 2000 Kräften, die sich als Quereinsteiger auf den Pädagogenberuf beworben hatten, erfüllte nur etwa die Hälfte die Voraussetzungen. Wie viele dieser möglichen Quereinsteiger im neuen Schuljahr tatsächlich unterrichten werden, ist unklar.
Um die fehlenden Stellen aufzufangen, wurden Pensionisten zum Weiterarbeiten aufgefordert. Etwa 160 von ihnen hätten Interesse signalisiert, ließ Scheeres mitteilen. Zudem will die Senatorin Studierende in Lehramtsmastern ermutigen, parallel zur Ausbildung halbtags zu unterrichten. jlo
Nach Ideen der Bildungssenatorin soll es in Zukunft möglich sein, dass Lehrer mit nur einem Fachgebiet an Schulen unterrichten. Bisher müssen Lehrkräfte eine Ausbildung in mindestens zwei Fächern nachweisen. Neben einem Wahlfach sind die Fächer Deutsch und Mathematik Pflicht. An den Grundschulen müssen es sogar drei Fächer sein. So will es das Lehrkräftebildungsgesetz. Sollten Ein-Fach-Lehrer in Zukunft zugelassen werden, würde das auch Auswirkungen auf die Ausbildungszeit und somit auch auf die Bezahlung haben.
Genau das will die GEW nicht. »Ausbildungen, die Einsatzmöglichkeiten von Lehrern verringern und eine geringere Bezahlung zur Folge haben, lehnen wir strikt ab«, sagte Tom Erdmann, Co-Vorsitzender der GEW Berlin.
Generell dürften die Maßnahmen, die in der aktuellen Situation gegen den Fachkräftemangel erörtert werden, nicht zu einer Absenkung der Bildungsqualität an den Schulen führen. »Wir wehren uns gegen strukturelle Verschlechterungen der Qualität, um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen«, sagte Siebernik.
Es sei daher ein Unding, dass die Pläne der Bildungssenatorin den Wegfall von Stunden für Sprach- und sonderpädagogische Förderung vorsehen würden, wenn nicht ausreichend Personal vorhanden sei. »Diese Kürzungen gehen zu Lasten der Schwächsten in unserem Bildungssystem«, sagte Erdmann. Man dürfe jetzt nicht die Axt an die Inklusion anlegen, nur weil man jahrelang zu wenig für die Gewinnung neuer Fachkräfte getan hat. Für die GEW steht fest: Nur die Verringerung der Arbeitszeit und der Arbeitsbelastung wird die Attraktivität des Arbeitsplatzes Schule mittelfristig wieder steigern können. Ein weiterer wichtiger Punkt sei zudem die Öffnung des Quereinstiegs in den Lehrerberuf unabhängig von der Studienrichtung. »Dies können auch Hochschulabschlüsse in Soziologie und Pädagogik sein«, sagte Erdmann.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.