- Sport
- Rassismus bei Mario Basler
Zu Gast bei Freunden
Abseits! Die Feuilleton-WM-Kolumne
Die Freunde haben einen Hund, der im Ablauf eines Tages mehr Haare lässt als ich insgesamt noch auf dem Kopf trage. In den Papieren steht, dass er aus Rumänien stammt, darunter der Vermerk: »Zum Schafehüten nicht geeignet.« Er lebt jetzt hier, obwohl er kein Facharbeiter ist und nicht richtig Deutsch spricht. Hunde müssen manchmal raus. Nachbarn auch. Wir trafen also einen. Es dürfte kurz nach dem Spiel der Deutschen gegen Mexiko gewesen sein, der Mann war sichtlich geladen und schrie was von »Muschifußball«. Das war, glaube ich, nicht lieb gemeint. Wer immer herausgefunden hat, dass Fußball ein Mann-Schafts-Sport sei, hatte vermutlich recht.
Während des Gezeters fiel mir Werner Lorant ein. Auch der hatte diesen feisten Hass im Auge, als sehe er den Feind, von dem er gerade redet, unmittelbar vor sich. Lorant ist, neben Anton Hofreiter, der Mensch auf der Welt, dem ich nicht allein auf einem Feldweg begegnen möchte. Zum Glück rollte das Gespräch einfach über mich hinweg. Jaja Hymne singen, jaja Ballbesitz, jaja Spielkultur, Ilkay Erdo Özilgan.
Einen Tag später traf ich ihn wieder. Im Fernsehen. Er nannte sich Mario Basler und sah auch etwas anders aus. Verdächtig wie der echte Basler, aber es waren dieselben Gedanken. Mario Basler ist ein Fußballspieler a. D., der in den Neunzigern für talentiert gehalten wurde. Auf dem Platz blieb davon, ein paar Sonntagsschüsse abgezogen, nichts zu sehen. Seine Bereitschaft, sich in Spiel oder Training reinzuhängen, ging selbst bei gutem Wetter selten über null. Seine Erfolge in Verein und Nationalelf liegen in einem so niedrigen Bereich, dass nicht auszumachen ist, ob sie tatsächlich stattgefunden haben oder es sich bloß um Messfehler handelt. Ganze zwei Länderspieltore und ein EM-Titel ohne auch bloß eine Spielminute bilden den Sockel, auf dem Basler von Spielern wie Özil mehr Kampfbereitschaft fordert. Denn heute ist der Mann, der Berti Voigts in Yad Vashem die Frage »Trainer, gab’s das wirklich?« gestellt hatte, im TV für Analyse und Fragen der Moral zuständig.
Die Pampe aus Sexismus, Antiintellektualismus und Xenophobie schafft in den betroffenen Köpfen eine Welt, in der das alles auseinander folgt. Auch ein Widersinn ist ja eine Beziehung; Hauptsache, man kommt vom einen irgendwie aufs andere. Wenn die Deutschen ein Spiel verlieren, dann weil Özil die Hymne nicht singt und lieber Koranverse skandiert. Vom schlecht geschriebenen Schlager des Franzosenfressers Fallersleben zum Heiligen Buch des Islam besteht kein sittliches Gefälle, und es geht nur darum, dass Özil sich anders motiviert als der Rest. Er ist aber nicht bloß ein Fremdkörper, dem man, obwohl man ihn gar nicht dabeihaben will, vorwirft, nicht dabei sein zu wollen - Özil steht für das kreative, also fremde Spiel. Schönheit und Kampf schließen sich in dieser Stimmung stets aus. »Ballbesitz schießt keine Tore«, das wurde zum Signalruf, an dem sich diejenigen erkennen, die ein Problem mit Laptoptrainern und südlichen Elementen im Spiel deutscher Mannschaften haben. Festgemacht wird das an der »Körpersprache«, die nicht maskulin genug ist.
Wir notieren: Ballbesitz schießt keine Tore, Körpersprache schon. Und hier muss man Baslers Bemerkungen wortgetreu zitieren: »Özil, dem seine Körpersprache ist die von einem toten Frosch.« - Mag ja sein, Mario, dass der Ausländer beim Spielen die Schultern hängen lässt, aber wenigstens bekommt er ein paar Genitive hin und muss seine Gegner nicht mit schlechten Witzen über ihr Äußeres - Frosch, Glubschi, haben wir gelacht - zu Boden hetzen.
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