Kennzeichnung für Polizisten ohne Folgen
Thüringen: Weder positive noch negative Rückmeldung
Erfurt. Die vor etwa einem Jahr in Thüringen eingeführte Kennzeichnungspflicht für Polizisten hat nach Einschätzung von Polizei und Innenministerium bislang kaum Folgen gezeigt. »In der vergangenen zwölf Monaten sind weder positive noch negative Rückmeldungen im Zusammenhang mit der numerischen Kennzeichnung eingegangen«, sagte ein Sprecher der Landespolizeidirektion (LPD) der dpa. Die LPD ist die oberste Polizeibehörde in Thüringen.
Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des Landesinnenministeriums. Bei der Vertrauensstelle der Thüringer Polizei sei bislang nur eine Beschwerde gegen einen Bereitschaftspolizisten bekannt, der über seine Nummer identifiziert wurde. Ein Demonstrant aus dem linken politischen Spektrum werfe ihm vor, einen Mann bei einer Kundgebung beleidigt und zu Boden gestoßen zu haben, sagte der Sprecher. Das Verfahren habe man an die internen Ermittler der Polizei abgegeben.
Im Mai vergangenen Jahres waren die ersten Thüringer Polizisten mit Nummern gekennzeichnet worden. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition hatte sich darauf verständigt, Polizeibeamte vor allem von geschlossenen Einheiten bei größeren Einsätzen dadurch identifizierbar zu machen, dass jeder der Beamten eine individuelle Nummer auf seiner Einsatzkleidung trägt. Mit dieser Nummer sollen die Polizisten nicht sofort für jeden, aber später durch ihren Dienstherren mit ihrem Namen erkennbar sein, falls es Beschwerden oder Strafanzeigen wegen ihres Verhaltens gibt.
Vor allem die LINKE hatte die Kennzeichnungspflicht gefordert. Aus der CDU und auch aus den Polizeigewerkschaften war dagegen heftiger Widerstand gegen die Pläne gekommen. Dort befürchtete man, es werde nach Einführung der Nummern eine riesige Welle von Beschwerden und Anzeigen gegen Polizisten geben.
Obwohl die Kennzeichnungspflicht im Alltag der Beamten nach den ersten Erfahrungen relativ bedeutungslos ist, hält der innenpolitische Sprecher der LINKE-Fraktion im Thüringer Landtag, Steffen Dittes, sie nach wie vor für richtig. So werde mehr Vertrauen in die Polizei geschaffen. Gleichzeitig gab Dittes zu bedenken, dass vor einem Jahr erst Schritt für Schritt damit begonnen worden sei, Polizisten in Thüringen zu kennzeichnen. Es werde also noch einige Zeit dauern, bis sich die Auswirkungen der Maßnahme auf die Arbeit der Polizei abschließend bewerten lassen.
Die CDU bleibt bei ihren Vorbehalten gegen die Praxis. »Nach wie vor sind uns keinerlei Belege für die These bekannt, dass angezeigte Polizisten ohne Kennzeichnung häufiger unbekannt bleiben«, sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Fiedler. »Dafür sehen wir weiterhin die Gefahr, dass Polizisten durch die Kennzeichnungspflicht unter Generalverdacht gestellt werden.« Schon heute würden Polizisten im Einsatz fotografiert oder gefilmt und anschließend auch als Privatperson im Internet an den Pranger gestellt. Dieses Phänomen könne durch die Kennzeichnungspflicht noch verstärkt werden. dpa/nd
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