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Bartsch: Transitzonen setzen das Asylrecht faktisch außer Kraft
Grüne sehen in Einigung von Unionsparteien auf Transitzentren »Aufguss alter Ideen« / LINKE-Chef Riexinger befürchtet Errichtung von »Masseninternierungslagern«
Berlin. Der Asylkompromiss von CDU und CSU stößt auf scharfe Kritik bei der Opposition. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck kritisierte ihn als einen Aufguss alter Ideen. »CDU und CSU haben einen Vorschlag von 2015 rausgekramt und verkaufen das als Einigung«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Diesen alten Kram kippen sie nun der SPD vor die Füße und sagen, super, das ist es jetzt. Dabei hat die SPD Transitzonen explizit als Massenlager abgelehnt. Arme SPD.« Der LINKE-Vorsitzende Bernd Riexinger twitterte: »Transitzonen sind Masseninternierungslager. Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke.« Weiter schrieb er: »Kanzlerin Merkel belohnt das wochenlange Theater der CSU. CDU und CSU einigen sich auf dem Rücken Geflüchteter. Seehofer bleibt ungeschoren. Merkel schwach.«
LINKEN-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnte die SPD vor einem Einknicken in der Asylpolitik. Im Koalitionsvertrag stehe etwas ganz anderes als das, was die Unionsparteien am Montagabend zur Beilegung ihres Streits beschlossen hätten, sagte Bartsch am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. »Ich wünsche mir, dass die SPD nicht zustimmt.« Nur wenn die SPD nicht »wie das Kaninchen vor der Schlange« agiere, könne die »rechtlich fragwürdige« Einigung noch verhindert werden.
Die angepeilten Transitzonen seien rechtswidrig, kritisierte Bartsch am Dienstag in Berlin. »Wenn Lager außerhalb geschaffen werden sollen, wird faktisch das Asylrecht außer Kraft gesetzt.« Notwendig sei vielmehr ein »namhafter Milliardenbetrag« für die Herkunftsländer der Betroffenen, damit dort die Ursachen von Flucht und Vertreibung bekämpft werden könnten.
Kritik kommt aber auch aus den Reihen der SPD. »Die SPD hat geschlossenen Lagern eine deutliche Absage erteilt«, sagte Juso-Chef Kevin Kühnert der Deutschen Presse-Agentur. »Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Außengrenze oder in Passau.« Der Vorsitzende der AG Migration in der SPD, Aziz Bozkurt, sagte der »Welt«: »Die Transitzentren sind null vom Koalitionsvertrag gedeckt.« Und dieser liege schon »jenseits der Schmerzlinie«.
Der ebenfalls SPD-Linke Matthias Miersch erklärte, Merkel und Seehofer hätten einen Vorschlag vorgelegt, »der vielleicht für den Moment ihren Streit beendet, ansonsten aber vor allem Fragen aufwirft«, o der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion am Montag der Deutschen Presse-Agentur. »Allein die Reaktion aus Österreich zeigt, dass die beiden vielleicht noch einmal mit klarem Kopf draufschauen sollten.« Es sei aber gut, dass die Union nach ihrem wochenlangen Krach nun wieder zur Sache komme und man über Lösungen sprechen könne. So hatte sich Österreichs Außenministerin Karin Kneissl sich bereits skeptisch geäußert und »eine ganze Reihe« von Fragen angemeldet.
Miersch warb für die eigenen Vorschläge der SPD zur Asylpolitik, in denen die Partei sich unter anderem gegen geschlossene Lager ausspricht. »Wenn unsere fünf Punkte umgesetzt werden, reduziert sich die Zahl der Flüchtlinge in ganz Europa, verbessert sich die Situation der Geflüchteten und das Sterben auf dem Mittelmeer lässt nach«, sagte er. »Und das Beste ist, der Innenminister kann diese Vorschläge mit unserer Unterstützung sofort umsetzen.«
Auch die sächsische SPD übte scharfe Kritik am Asylkompromiss der Union. Wirtschaftsminister und Parteichef Martin Dulig und Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange sprachen am Dienstag von einer »Schmierenkomödie«. Die Union habe eine »Scheinlösung« vorgelegt. »Ich habe kein Vertrauen in den Innenminister«, sagte Dulig mit Blick auf Horst Seehofer (CSU). Die Transitzentren seien ein alter Vorschlag. Er wisse nicht, welches Problem damit gelöst werden könne. Stange bezeichnet das Agieren der Union als unsäglich.
CSU-Generalsekretär: Baustein »hin zu einer Asylwende«
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer hatten zuvor ihren erbitterten Asylstreit beigelegt und ein Auseinanderbrechen der Union vorerst abgewendet. »Wir haben uns nach sehr intensiven Verhandlungen zwischen CDU und CSU geeinigt«, sagte Seehofer am Montagabend nach stundenlangen Verhandlungen in der CDU-Zentrale in Berlin. Die Abmachung sei eine »klare, für die Zukunft sehr, sehr haltbare Übereinkunft«. Die Einigung erlaube es ihm, dass er das Amt des Bundesinnenministers weiterführe.
CDU und CSU wollen nun Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden, heißt es in der Vereinbarung von CDU und CSU vom späten Montagabend.
CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte, die Vereinbarung sei der letzte Baustein »hin zu einer Asylwende«. Asylbewerber würden aus den geplanten Transitzonen direkt in die EU-Staaten abgeschoben, wo sie bereits registriert seien – wenn es entsprechende Abkommen mit den Ländern gebe. Für alle anderen Fälle plane man ein Abkommen mit Österreich, wie diese Menschen grenznah abgewiesen werden könnten.
Nach Einschätzung von CSU-Vize Manfred Weber hat der Kraftakt von CDU und CSU die Zuwanderungspolitik in Europa grundlegend verbessert. »Wir haben in der EU eine neue Balance hin zu einer besseren Migrationspolitik durchgesetzt. Das war ein großer Schritt«, sagte der Fraktionschef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament der Deutschen Presse-Agentur in München. Jetzt gebe es eine Einigung zwischen CDU und CSU mit nationalen und europäischen Maßnahmen, um die Migration effizient zu steuern und zu ordnen.
Offen ist noch, ob der Koalitionspartner SPD dies genauso sieht. Nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses am späten Montagabend blieb die Parteivorsitzende Andrea Nahles zurückhaltend. Es gebe noch zahlreiche Fragen, die die SPD mit ihren Fachleuten und den Gremien der Partei an diesem Dienstag erörtern wolle. Um 18.00 Uhr werde es dann einen weiteren Koalitionsausschuss geben. Es sei aber gut, dass sich CDU und CSU verständigt hätten, sagte Nahles. »Wir finden das deswegen gut, weil wir jetzt wieder auf der Ebene der Sacharbeit sind. Das haben wir in den letzten Wochen schmerzlich vermisst.« Agenturen/nd
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