Schwimmen wie ein Stadtmusikant
Bremen rückt von der »Seepferdchen«-Norm ab
Um die Schwimmfähigkeiten von Bremer Kindern ist es nicht gut bestellt. Nach wie vor gibt es nur eine lückenhafte Struktur, mit der das Schwimmen lernen für Kinder gewährleistet werden könnte. Und es gibt Zwist zwischen der rot-grünen Regierungskoaltion und der Bremer CDU bei diesem Thema.
Die oppositionellen Bremer Christdemokraten hatten vor einem Vierteljahr in diesem Zusammenhang ihren ersten Parlamentsantrag in der ausgehenden Legislaturperiode durchgekriegt. Es ging darum, Schwimmunterricht als vorgeschriebenes Schulfach ab der ersten Klasse zu installieren und ins Zeugnis aufzunehmen. Am Ende der Grundschule sollte jedes Kind schwimmen können.
Allerdings war in der Sitzung der Bremischen Bürgerschaft auch ein Alternativantrag der SPD-Fraktion durchgegangen, der Schwimmunterricht ab der dritten Klasse forderte sowie eine gesamtgesellschaftliche Allianz für Schwimmunterricht. Die Bremer Bädergesellschaft, deren Vorsitzender Jan Fries von den Grünen ist, kam postwendend mit der Idee für ein neues Schwimmabzeichens, für dessen Erwerb im Vergleich mit dem bislang üblichen »Seepferdchen« deutlich weniger Schwimmstunden verlangt werden - mit sehr viel geringeren Anforderungen. Fries ist Staatsrat im Hause der grünen Senatorin Anja Stahmann, die unter anderem für Familien, Integration und Sport zuständig ist.
Es geht bei dem Abzeichen, das die Bremer Stadtmusikanten zeigt, um Wassergewöhnung für Kinder und Brustschwimmen auf einer Länge von acht Metern. Gedacht ist es für Kinder ab drei Jahren. Es soll ihnen Sicherheit im Wasser geben - und ihren Eltern die Gewissheit, dass die Kleinen beim Baden nicht untergehen. Parallel dazu wurde nun auch beschlossen, in den Schulen für die dritte und vierte Klasse Schwimmunterricht vorzuschreiben.
Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V. (DLRG) warnt vor diesem Stadtmusikanten-Abzeichen, denn es suggeriere Sicherheit beim Schwimmen, die tatsächlich wegen der zu geringen Anforderungen aber nicht gegeben sei. Die Ziele des »Seepferdchen«-Abzeichens seien Grundvoraussetzung für Sicherheit im Wasser: ein Sprung vom Beckenrand und mindestens 200 Meter Schwimmen in höchstens 15 Minuten. Aus der Bevölkerung kommt dazu allerdings die Frage, inwieweit Dreijährige diese Anforderungen überhaupt umsetzen können.
Ungeachtet dieser Debatte klafft in Bremen eine sehr große Lücke zwischen der Anzahl der potenziellen Schwimmschüler und der zur Verfügung stehenden Kursplätze. Für Kinder aus ärmeren Familien müssen übrigens keine Gebühren gezahlt werden. Bremen ist das Bundesland mit dem prozentual höchsten Anteil an Kindern, die in Armut aufwachsen.
Die CDU ist sauer, weil ihr Antrag, nämlich ab der ersten Schulklasse einen benoteten Schwimmunterricht als Pflichtfach vorzuschreiben, im Parlament zwar eine Mehrheit bekam, der rot-grüne Senat sich nun aber für den Konkurrenzantrag aus der SPD entschied. Die Christdemokraten sprechen von Politik nach »Gutsherren-Art«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.