Der Plan einer klugen Rechtsextremen

Marion Maréchal hat eine Hochschule für die »Chefs von morgen« gegründet.

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 4 Min.

Zu seinem 90. Geburtstag am 20. Juni hat sich Jean-Marie Le Pen für die Illustrierte »Paris-Match« in trauter Runde mit seinen drei Töchtern fotografieren lassen. Damit wollte der Mitbegründer und langjährige Vorsitzende der rechtsextremen Partei Front National, die sich heute Rassemblement National nennt, die Versöhnung mit zweien von ihnen demonstrieren. Seine älteste Tochter Marie-Caroline hatte er seit 1998 nicht mehr gesehen, nachdem sie mit ihrem Mann Philippe Olivier zum abtrünnigen ehemaligen »Kronprinzen« Bruno Megret abgewandert war. Seine jüngste Tochter Marine hat ihren Vater zunächst an der Spitze der Partei beerbt, ihn dann aber wegen neuerlicher antisemitischer Ausfälle, die die »Entdämonisierung« der Partei durch die neue Vorsitzende störten, als Ehrenpräsident abgesetzt und dann sogar aus der Partei ausgeschlossen.

Mit der dritten Tochter Yann, die eine Zeit lang mit seinem engen Mitstreiter Samuel Maréchal verheiratet war, hatte er solche Probleme nicht. Deren 1989 geborene Tochter Marion ist sogar das Lieblingsenkelkind des »Patriarchen«. Sie ist klug und gebildet, hat zwar kein Diplom, weil sie ein Jura-Studium abbrach, dafür aber politisches Gespür. Seit 2008 engagiert sie sich in der Front National, 2012 wurde sie auf Anhieb im südfranzösischen Departement Vaucluse in die Nationalversammlung gewählt, wo sie mit ihren 22 Jahren die jüngste Abgeordnete aller Zeiten war.

Mit ihrem betont maßvoll-zurückhaltenden Auftreten und ihrer charismatischen Ausstrahlung hat sie vor allem in Südfrankreich viele Anhänger gewonnen. In der Region sind Familien der durch die Unabhängigkeit 1962 aus Algerien vertriebenen Siedler traditionell ein Wählerreservoir für die FN. Mit ihren politischen Positionen steht sie nicht selten noch rechts von der heutigen Partei Rassemblement National, was ihr vor allem bei den identitären und liberal-konservativen Kadern, Mitgliedern und Anhängern der Partei Erfolg verschafft, denen die »Entdämonisierung« durch Marion Le Pen zu weit geht. Viele dieser Menschen trauern zwar nicht den neonazistischen und antisemitischen Ausfällen des FN-Urgesteins Jean-Marie nach, sie fürchten aber, dass das Rassemblement National zu einer rechten Partei wie jede andere werden könnte.

Marion Maréchal-Le Pen, die kürzlich aus ihrem Familiennamen das »Le Pen« gestrichen hat, legte im September 2017 alle politischen Ämter nieder. Offizieller Grund war die Geburt einer Tochter. Kurz zuvor hatte ihre Tante Marine bei der Präsidentschaftswahl eine Niederlage erlitten und der Front National bei der Parlamentswahl ein Desaster erlebt. Wohl kaum jemand sah ihren Rückzug aus der Politik als eine definitive Entscheidung an. Im vergangenen Februar trat sie dann überraschend in Washington vor der Jahrestagung der stockreaktionären American Conservative Union auf - eine Ehre, die weder ihrem Großvater noch ihrer Tante je zuteil wurde. In ihrer kurzen Rede griff sie Trumps Slogan auf und widmete ihn für Frankreich in »France first« um. Außerdem kündigte sie an, dass sie noch im laufenden Jahr eine Hochschule gründen werde, um »die Chefs von morgen« heranzubilden.

Ende Juni hat sie offiziell in Lyon ihre private Hochschule ISSEP (Institut des Sciences sociales, économiques et politiques) vorgestellt, die im Herbst den Lehrbetrieb aufnehmen soll. Gegen eine Gebühr von 5500 Euro pro Jahr können Studenten einen zweijährigen Kurs belegen, dessen Abschlussdiplom allerdings nicht staatlich anerkannt ist. Auf dem Studienplan stehen neben Management und politischen Wissenschaften Themen wie »Die Zersplitterung der politischen Landschaft Frankreichs« oder »Konservatismus in den USA, China und Russland«, aber auch »Die Herausforderungen der neuen Technologien« sowie Weinkenner- und Benimm-Kurse, um den Absolventen die Werte der französischen Kultur und Zivilisation zu vermitteln.

Über Details der Finanzierung durch private Mäzene will sich Marion Maréchal ebenso wenig äußern wie über die der Schule zugedachte Rolle als Think Tank, der Forschung betreiben und Vorschläge für politische Konzepte unterbreiten soll. Zwar betont Maréchal den politisch offenen Charakter ihrer Hochschule, doch da sämtliche Honorar-Professoren Mitglieder des Rassemblement National oder anderer rechtsextremer Parteien und Organisationen sind, ist die Richtung klar. Davon zeugte auch Ende Juni das mit stürmischem Beifall bedachte Auftreten von Marion Maréchal in Paris auf einer Veranstaltung unter dem programmatisch-reaktionären Motto »Schluss mit Mai 68!«, wo sie offiziell nur ihre Hochschule vorstellte, in Wirklichkeit aber von vielen jungen Anhängern als Hoffnungsträgerin gefeiert wurde.

Ihre Langzeitstrategie zeichnet sich immer deutlicher ab. Es geht offensichtlich darum, Kader und ideologische Progammpunkte für eine parteienübergreifende Bewegung zu sammeln, die breit gefächert ist und vom rechten Zentrum über die konservative Rechte bis zu ausgesprochen rechtsextremen Kräften reicht. Vor allem will sie Abstand gewinnen zu älteren und in der Vergangenheit oft gescheiterten Politikern, Parteistrukturen und Ideologien. Damit orientiert sie sich stark an Emmanuel Macron, als deren rechte Gegenspielerin sie sich wohl profilieren will.

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