Weniger Mitgefühl bei Ausländern

Kriminologe: Gespaltenes öffentliches Interesse für Opfer von Straftaten

  • Lesedauer: 2 Min.

Hannover. Eine Bewertung von Straftaten mit zweierlei Maß beklagt der ehemalige Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Chistian Pfeiffer. Opfer mit Migrationshintergrund erführen weniger Empathie und Interesse als Deutsche. So sei über die Morde der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) lange Zeit nur unter »Vermischtes« berichtet worden, sagte Pfeiffer dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf das für Mittwoch erwartete Urteil im NSU-Prozess. Ein Terroranschlag wie auf dem Berliner Breitscheidplatz mit vielen deutschen Opfern lande dagegen immer auf Seite eins.

Das hänge mit der Identifikation mit den Opfern zusammen, erläuterte Pfeiffer. So sei bei den vorwiegend türkischstämmigen Opfern des NSU anfangs gemutmaßt worden, ob sie vielleicht in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen seien und zu ihrem Tod selbst beigetragen hätten. Bei einem Anschlag der Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) dagegen würden die Getöteten als »unschuldige Deutsche« wahrgenommen. »Da ist die emotionale Betroffenheit höher.«

Im NSU-Prozess will das Oberlandesgericht München am Mittwoch sein Urteil verkünden. Der Mordserie der Terrorgruppe fielen zwischen den Jahren 2000 und 2007 vermutlich neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin zum Opfer. Vor Gericht müssen sich seit Anfang Mai 2013 Beate Zschäpe sowie weitere mutmaßliche Helfer und Unterstützer des NSU verantworten.

Am Tag der Urteilsverkündung wollen mehrere Bündnisse in Berlin gegen Rechtsterrorismus und Rassismus demonstrieren. Unter dem Motto »Kein Schlussstrich« haben die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und der Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) die Veranstaltung für Mittwoch (17 Uhr) angemeldet. Unabhängig vom Münchner Urteil blieben mehr Fragen als Antworten, heißt es auf der Facebook-Seite der Anmelder. dpa/nd

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.