Italien will keine Bootsflüchtlinge mehr aufnehmen

Innenminister Salvini: Auch internationale Missionen dürfen keine Häfen mehr anlaufen / Fluchtrouten verlagern sich nach Italien

  • Lesedauer: 3 Min.

Rom. Italien will künftig auch Schiffen internationaler Missionen im Mittelmeer das Einlaufen in seine Häfen verwehren. Innenminister Matteo Salvini schrieb am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter, er werde das dem EU-Innenministertreffen am kommenden Donnerstag in Innsbruck unterbreiten. Leider hätten die italienischen Regierungen der vergangenen fünf Jahre Vereinbarungen unterschrieben, wonach »alle diese Schiffe Migranten in Italien abladen«, fügte der stellvertretende Regierungschef und Chef der rechtsradikalen Lega hinzu.

Salvini bezog sich damit auf das in der Nacht zum Sonntag im sizilianischen Hafen Messina vor Anker gegangene irische Marineschiff »Samuel Beckett« mit 106 Flüchtlingen an Bord. Zu den von ihm erwähnten »Missionen« macht er keine Angaben. Eine von ihnen ist der EU-Militäreinsatz »Sophia« zum Aufbringen von Flüchtlingsbooten und zur Festnahme vermeintlicher Schlepper. »Sophia« untersteht italienischem Kommando. Hauptquartier ist Rom. An einer weiteren Operation namens »Triton« der EU-Grenzschutzbehörde Frontex sind auch Schiffe der NATO-Militärallianz beteiligt.

Wie verdreht kann diese Welt nur sein?
Neeske Beckmann will mit der »Lifeline« Leben retten. Stattdessen sitzt sie auf Malta fest. Ein Erfahrungsbericht.

Die Regierung in Rom untersagt bereits zivilen Seenotrettungshelfern, italienische Häfen zu benutzen. Das deutsche Rettungsschiff »Lifeline« der gleichnamigen Hilfsorganisation mit 234 aus Seenot geretteten Geflüchteten an Bord befand sich deshalb auf einer tagelangen Irrfahrt im Mittelmeer, bevor es Ende Juni in Malta landen durfte. Der Kapitän muss sich dort aber vor Gericht verantworten. Italien wies auch das französische Rettungsschiff »Aquarius« mit 630 Geflüchteten an Bord zurück. Sie durften schließlich in Spanien an Land gehen.

Frontex spricht von geänderten Fluchtrouten nach Europa

Frontex-Chef Fabrice Leggeri erklärte, als Folge der italienischen Abschottungspolitik sei es bereits zu einer Verschiebung der Fluchtrouten nach Europa gekommen. Statt von Libyen nach Italien überzusetzen, versuchten immer mehr Migranten, von Marokko über das westliche Mittelmeer nach Spanien zu gelangen, sagte der 50-jährige Franzose der »Welt am Sonntag«. »Wenn Sie mich fragen, was meine größte Sorge derzeit ist: Dann sage ich Spanien.«

Allein im Juni zählte Frontex rund 6000 irreguläre Grenzübertritte aus Afrika nach Spanien, wie Leggeri sagte. Bei etwa der Hälfte handele es sich um Marokkaner, die anderen stammten aus Westafrika. »Wenn die Zahlen dort so steigen wie zuletzt, wird sich dieser Weg zum wichtigsten entwickeln.« Nach Frontex-Angaben schlagen Schlepper im Transitland Niger vielen Migranten seit kurzem vor, die Route über Marokko statt über Libyen zu nehmen. Bislang waren die meisten Migranten, die übers Mittelmeer kamen, in Italien angelandet. Spanien rangierte hinter Griechenland nur auf Platz drei.

Damit der Wind dreht
Bootsbauer Philipp Hahn fährt auf der »Sea-Watch« und ist überzeugt: Die zivile Seenotrettung kann weitermachen

Die neuesten Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zeigen, dass eine Trendwende eingesetzt hat: Waren im ersten Halbjahr 2017 noch rund 85.000 Migranten in Italien und nur 6500 in Spanien angekommen, so waren es im gleichen Zeitraum 2018 in Italien nur noch 16.700 - und in Spanien bereits 15.600. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kamen, lag der Statistik zufolge aber im ersten Halbjahr nur noch bei knapp 46.500. Sie hat sich somit mehr als halbiert.

Seenotrettung ist kein Verbrechen - Tausende protestieren für sichere Fluchtwege

Erst am Samstag bargen Seenotretter in der Meerenge von Gibraltar und im Alborán-Meer zwischen der Iberischen Halbinsel und Nordafrika 150 Menschen auf fünf Booten, wie die Nachrichtenagentur »Europa Press« meldete. Die Menschen aus afrikanischen Staaten südlich der Sahara seien in die spanische Region Andalusien gebracht worden. Der Großteil sei in Málaga an Land gegangen. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -