Spießrutenfahrt durch die Bretagne

Tom auf Tour

  • Lesedauer: 3 Min.

Sarzeau ist ein bretonisches Städtchen am Atlantik. An diesem Dienstag empfängt es die Tour de France. Es ist eine Premiere. Allerdings keine überraschende, denn die treibende Kraft dahinter ist David Lappartient. Der Mann ist Bürgermeister der 7800-Seelen-Gemeinde - und im Hauptberuf Präsident des Radsportweltverbands UCI. Oder im Nebenberuf, so genau weiß man das nicht.

Als Lappartient im vergangenen Herbst im Fjord-durchzogenen Norwegen - die Küstenlandschaft dort ähnelt ein wenig der bretonischen - zum neuen UCI-Boss gewählt worden war, klagten einige Einwohner in der Lokalpresse: »Dann sehen wir ihn ja noch weniger. Als Bürgermeister ist er einfach ein Phantom.«

Nun ja, das Phantom organisierte immerhin die Ankunft der Tour, auch wenn der Multifunktionär - er sitzt auch im Departement-Rat von Morbihan - damals noch »nur« französischer Verbandspräsident war. Dass Lappartient auch ein guter UCI-Präsident ist, bezweifelt indes David Brailsford. Der Waliser ist Chef des britischen Profirennstalls Sky. Und als solcher hatte er grimmigen Gesichts zur Kenntnis genommen, dass Weltverbandsboss Lappartient seinen Star Chris Froome zu einem Startverzicht während der Untersuchungen der Salbutamol-Dopingaffäre aufgerufen hatte. Der Franzose appellierte damit zwar lediglich an Froome und Sky, sich den Regeln der »Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport« zu unterwerfen, die eine freiwillige Suspendierung in so einem Fall vorsehen. Sky gehört dieser Bewegung aber nicht an, und Teil eines »glaubwürdigen Radsports« ist das Team schon länger nicht mehr.

Brailsford unterstellte Lappartient jedoch, Position in einem Konflikt zu beziehen und nicht mehr seiner Rolle als unparteiischer Präsident zu genügen. »Ich habe ihm am Anfang einen Vertrauensvorschuss gegeben. Ich dachte mir, er ist neu, er versteht die Verantwortlichkeiten einer präsidentiellen Rolle noch nicht«, kritisierte der Brite am Rand der Tour und schob nach: »Ich glaube, er hat immer noch die Mentalität eines kleinen französischen Bürgermeisters.«

Brailsford sagte dies nicht zufällig wenige Tage bevor die Tour vor dem Amtssitz des »kleinen Bürgermeisters« Station macht. Besonders viele Feinde macht er sich damit nicht. In Sarzeau sind neben Lappartient nur noch 7824 weitere Einwohner gemeldet. Und bekanntlich sind nicht alle von ihnen so gut auf ihren »Phantom-Bürgermeister« zu sprechen. Dennoch dürften die Feindseligkeiten, denen sich das Team Sky seit der so überstürzt wirkenden Startfreigabe für Froome durch die UCI ausgesetzt sieht, im Etappenort an Intensität noch zunehmen.

Das Ganze erinnert an einen Hahnenkampf zweier Dickschädel aus der Provinz. Brailsford ist im walisischen Nest Deiniolen (sogar nur 1909 Einwohner) aufgewachsen. Verbal und mental scheint auch er zuweilen Dorfanger und Dorfkneipe nicht entwachsen zu sein. Froome während der Untersuchungszeit von allen Rennen fernzuhalten, hätte ja eher einer ritterlichen Haltung entsprochen - Brailsford wurde von der Queen einst zum Ritter geschlagen.

Jetzt hat die vierte Etappe noch zusätzlich Pfeffer bekommen. Und die Spießrutenfahrt durch die Bretagne wird sich für die Briten danach noch fortsetzen. Schon zwei Tage später endet die sechste Etappe an der Mûr-de-Bretagne. Die liegt keine Stunde entfernt von Yffiniac, dem Heimatort des »bretonischen Dachses« Bernard Hinault. Der fünfmalige Toursieger hatte das Fahrerfeld gar zum Streik gegen Froome aufgerufen.

Man fühlt sich fast an den 100-jährigen Krieg zwischen England und Frankreich erinnert. Nur eine Jeanne d’Arc, die dem Treiben ein Ende bereiten könnte, ist nicht in Sicht.

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