Grüne entdecken den Patriotismus für sich

Parteichefs stellen Sommerreise unter das Motto »des Glückes Unterpfand« / Dialog mit Bundeswehr und Polizei

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn es nach Robert Habeck und Annalena Baerbock geht, sollen die Grünen nicht mehr länger mit nationalen Symbolen fremdeln. Die Parteivorsitzenden haben für ihre Sommertour das Motto »des Glückes Unterpfand« ausgewählt. In einem Statement von Baerbock auf der Website der Grünen heißt es, dass es auf den ersten Blick irritieren mag, »dass wir unsere Reise unter einen Titel stellen, der aus der Nationalhymne stammt«. Aber gerade jetzt gehe es mehr denn je um die Frage, »wie wir in diesem Land zusammenleben wollen«, so die Grünen-Chefin.

»Und so alt die Worte aus der Hymne sind, so sehr sind sie ein starkes Versprechen und eine ständige Erinnerung an das Grundlegende in unserer Demokratie: Gleich, woher jemand kommt, wie er aussieht und wie sie denkt oder lebt: Das individuelle Glück kann sich nur entfalten, wenn Einigkeit und Recht und Freiheit garantiert sind«, erklärte Baerbock.

Der genaue Terminplan für die Reise von Baerbock, die Anfang August beginnt, steht noch nicht fest. Ein Blick auf die Pläne von Habeck zeigt aber, dass es den Spitzengrünen keineswegs allein um ein liberales Selbstverständnis in der Bundesrepublik geht, sondern auch um eine Versöhnung mit Institutionen, welche für den Wandel Deutschlands zu einem Staat mit Großmachtambitionen in Europa und auf der Welt eine zentrale Rolle spielen.

Gleich zu Beginn seiner Reise hat Habeck am heutigen Donnerstag einen entsprechenden Ort ausgewählt. Er besucht die Schäferkaserne der Bundeswehr im niedersächsischen Bückeburg. Auf dem Programm stehen unter anderem Gespräche über die technische Ausbildung und die Vorstellung des Hubschrauber-Simulatorenzentrums. Die Grünen bezeichnen sich noch immer als Friedenspartei, obwohl sie diversen Kampfeinsätzen der Bundeswehr im Ausland zugestimmt hatten. Um diesen Ruf zu pflegen, soll Habeck mit den Soldaten auch über »Friedenssicherung und Abrüstung« sprechen.

Letzterer Aspekt spielt für die Bundeswehr derzeit allerdings keine Rolle. Die Große Koalition hat gerade erst eine Erhöhung der Militärausgaben auf 42,9 Milliarden Euro im Jahr 2019 beschlossen. Auch einige Politiker der Grünen haben die Aufrüstungsdebatte kräftig angeheizt. So hatte sich ihr Bundestagsabgeordneter Tobias Lindner zu Beginn des Jahres Sorgen um die »Einsatzbereitschaft« der Truppe gemacht.

Die Dienststelle der Bundespolizei im bayerischen Freilassing an der Grenze zu Österreich hat sich ebenfalls auf einen Besuch von Habeck eingestellt. Nach der Einigung von CDU und CSU in der Asylpolitik könnten hier die Grenzkontrollen künftig verstärkt werden.

Eine Stippvisite beim Flüchtlingsrat oder bei einer anderen Asylinitiative steht hingegen nicht auf dem Programm des Parteichefs der Grünen. Immerhin zeigt er aber Interesse an dem bürgerlichen Protest gegen Rechtsradikalismus. Im rheinland-pfälzischen Kandel trifft Habeck Vertreter des Bündnisses »Wir sind Kandel«.

Zum staatstragenden Auftreten Habecks passt, dass er auf seiner Reise ein Bild von Deutschland zeichnen will, in dem es aus seiner Sicht auch fortschrittliche Revolutionen gegeben hat. Kommende Woche besucht der Norddeutsche die Frankfurter Paulskirche. Dort hatte 1848 die Frankfurter Nationalversammlung als erstes Deutsches Parlament getagt. Eine Woche später wird Habeck in Leipzig an einer Stadtführung zur Erinnerung an die Montagsdemonstrationen in der DDR im Jahr 1989 teilnehmen.

Der Revolutionsbegriff Habecks ist nicht sozial, sondern liberal-bürgerlich geprägt. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass er Orte meidet, die an eine der Räterepubliken nach dem Ersten Weltkrieg erinnern. Diese kurze Phase in der deutschen Geschichte stand für die Idee eines radikalen Bruchs mit dem deutschen Obrigkeitsstaat.

Das Deutschsein beschäftigt Habeck schon länger. Im Jahr 2010 wurde ein Buch veröffentlicht, in dem er »Patriotismus ohne Deutschland« forderte. Der Grüne regte an, dass »Linke« sich diesen Begriff ebenso wie den Heimatbegriff zurückholen sollten. Damit verfolgt Habeck offenbar auch das Ziel, der AfD das Wasser abzugraben. Die rechte Partei zielt mit ihrer Erinnerungspolitik darauf ab, die »positiven Seiten« der deutschen Geschichte zu betonen und etwa die Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts zu glorifizieren.

Einige Grüne sehen die Hinwendung ihrer Führungspolitiker zu Patriotismus und Heimatgefühlen schon länger skeptisch. Als Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im Herbst vergangenen Jahres ihre Liebe zu Deutschland, das ihre Heimat sei, kundgetan hatte, waren manche Parteikollegen schockiert. So bezeichnete die Grüne Jugend »Heimat« als ausgrenzenden Begriff. Deswegen sei er bei der Bekämpfung von rechten Ideologien untauglich, monierte der Parteinachwuchs als Reaktion auf die Äußerungen von Göring-Eckardt. Die Tour der Grünen-Chefs könnte nun ein weiterer Testlauf sein, ob sich die Partei mittlerweile an die Hinwendung zum Patriotismus gewöhnt hat. Kritische Stimmen waren bis jetzt jedenfalls nicht zu vernehmen.

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