Berliner Team gewinnt Hebammen-Preis

Mit bis zu 190 Geburten im Jahr pro Hebamme ist die personelle Situation in Berlin besonders prekär

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine schreiende Frau liegt im Kreißsaal auf dem Bett. Eine Ärztin und drei Hebammen stehen um sie herum. Sie reden ihr gut zu und leiten sie beim Pressen an. Es kommt zu Schwierigkeiten, denn das Kind steckt mit der Schulter fest. Es muss sich umdrehen. Dazu leitet die Ärztin ein Manöver ein. Die gebärende Frau muss sich auf dem Bett umdrehen und die Beine hochnehmen. Es könnte auch eine Gymnastikübung sein. Ziel dabei ist, mehr Platz für das Baby zu bekommen. Nach vielen Anstrengungen, beruhigenden und ermutigenden Worten sowie Hilfe der Hebammen beim Rausziehen des Kindes, kann die Mutter endlich erschöpft ausatmen und ihr Neugeborenes in die Arme schließen.

Das Neugeborene ist eine Plastikpuppe, der Mutterbauch eine Polsterattrappe und die gesamte Szene ist gestellt. Sie dient als Simulation einer Geburt, damit Ärzt*innen, Hebammen sowie Schüler*innen regelmäßig Notfallsituationen üben können. Die Simulationskonstruktion gibt es aufgrund einer Initiative des 25-köpfigen Hebammenteams des Auguste-Viktoria-Klinikums von Vivantes in Schöneberg. Kreißsaalleiterin Claudia Rheinbay erklärt die Szene: »Es war eine Schulterdystopie. Der Kopf kam, danach musste sich das Baby aber noch einmal drehen.« Da dies nicht von selbst geschehen sei, so Mandy Mangler, Chefärztin in der Klinik für Geburtsmedizin, wurde das sogenannte McRoberts-Manöver eingeleitet. »Wir haben dann noch fünf weitere Manöver, die man hätte durchspielen können, wenn das Kind nicht gekommen wäre«, sagt die Kreißsaalleiterin. »Die Simulationen enden bei uns aber immer so, dass es Mutter und Kind am Ende gut geht.«

Mit der Entwicklung dieser Geburtensimulation und zwei weiteren innovativen Projekten hat das Team des Auguste-Viktoria-Klinikums zusammen mit zwei weiteren Teams den »Wettbewerb für angestellte Hebammenteams« des Deutschen Hebammenverbands gewonnen. »Es geht bei dem Wettbewerb nicht darum, die Situation zu verharmlosen«, sagt Susanne Steppat, Präsidiumsmitglied des Hebammenverbands. Diese sei ernst genug und werde auch politisch angegangen. »Die prekäre Personalsituation in Kliniken ist noch lange nicht geklärt.«

Auch Chefärztin Mangler sieht das Problem des Personalmangels: »Es gibt zu wenige Hebammen, die in den Kliniken arbeiten.« Das liege an der Unattraktivität der Kliniken. Die Verantwortung sei zu groß, und die Arbeitsorganisation und Bezahlung seien zu schlecht. Im Auguste-Viktoria-Klinikum seien allerdings alle Stellen besetzt, so Kreißsaalleiterin Rheinbay. Ob diese Stellen ausreichen, sei eine andere Frage. Mangler gibt die steigenden Geburtenzahlen zu bedenken. Sie möchte mehr Hebammen pro Geburt haben. »Aber Vivantes sagt: Sie kriegen eine Hebamme pro 120 Geburten.« Mit einer solchen Bemessung sei Deutschland das Schlusslicht in Europa, sagt Steppat vom Bundesverband der Hebammen. »England und Schweden zum Beispiel haben eine supertolle Geburtshilfe. Da betreut eine Hebamme, die in Vollzeit arbeitet, 40 Geburten im Jahr«, sagt sie. In Berlin habe man eine Varianz bis zu 190 Geburten im Jahr pro Hebamme.

Das Berliner Hebammenteam konnte noch zwei weitere Projektideen umsetzen. Zum einen habe es zusammen mit dem Runden Tisch Geburtshilfe ein Online-Programm zur besseren Verteilung von werdenden Müttern auf die Kreißsäle in der Stadt entwickelt. So könne im Voraus geschaut werden, welcher Kreißsaal noch frei ist, und werdende Mütter stünden nicht während der Wehen vor überfüllten Räumen, erklärt Chefärztin Mangler. »Kein Kreißsaal weist eine Patientin ab, die mit Wehen vor der Tür steht«, sagt Mangler. »Aber angenommen, die Frau ruft von zu Hause an, ob sie kommen kann, und der Kreißsaal ist voll, dann muss sie irgendwo anders unterkommen.« Das Online-Anmeldesystem diene dazu, das Finden eines freien Kreißsaals zu erleichtern, damit Frauen in den Wehen nicht durch die ganze Stadt telefonieren müssen.

Das dritte Projekt hilft dabei, die Hebammen in ihren Pausen mit warmem Essen zu versorgen. Dazu werden nun jeden Tag fünf Liter Suppe angeliefert, die nach Bedarf aufgewärmt werden kann.

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