Geflüchtete haben Küstenwacheschiff verlassen

Italiens Präsident Mattarella und Regierungschef Conte setzten Aufnahme von 67 im Mittelmeer geretteten Menschen gegen Innenminister Salvini durch

  • Lesedauer: 3 Min.

Rom. Die 67 Flüchtlinge, die im Mittelmeer von der italienischen Küstenwache aufgegriffen wurden, haben das Schiff »Diciotti« nach Angaben italienischer Medien verlassen. Fernsehbilder zeigten, wie die Menschen am Donnerstag kurz vor Mitternacht von Bord gingen und in einen schwarzen Bus stiegen, der von Polizeifahrzeugen begleitet wurde. Zuvor hatte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte am Donnerstagabend in einer Mitteilung angekündigt, die Migranten dürften die »Diciotti« verlassen, sobald ihre Personalien festgestellt worden seien.

Das Schiff hatte am Nachmittag im Hafen der sizilianischen Stadt Trapani angelegt. Den Geretteten war jedoch untersagt worden, von Bord zu gehen. »Ich erlaube niemandem, die 'Diciotti' zu verlassen«, hatte Italiens Innenminister Matteo Salvini am Rande des EU-Innenministertreffens in Innsbruck gesagt. »Wenn es jemand macht, dann auf eigene Verantwortung.«

Nach Medienangaben intervenierte am Donnerstagnachmittag der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella mit einem Appell an Conte, um die Situation aufzulösen. Zudem berichteten italienische Medien, dass die Polizei zwei Menschen an Bord als Schlepper identifiziert habe. Die Staatsanwaltschaft von Trapani habe daraufhin verlangt, alle Passagiere als Zeugen zu hören.

Salvini hatte der »Diciotti« am Mittwoch zunächst das Anlegen in einem italienischen Hafen verweigert. An Bord befanden sich 58 Männer, drei Frauen und sechs Kinder. Sie waren zunächst vom italienischen Schiff »Vos Thalassa« vor der libyschen Küste an Bord genommen worden. Einige der Flüchtlinge sollen auf der »Vos Thalassa« gegen die Besatzung vorgegangen sein. Medienberichten zufolge schlossen sich die Besatzungsmitglieder daraufhin im Kommandoraum ein und verständigten die Rettungszentrale in Rom.

Salvini hatte am Mittwoch von »Verbrechern« und »gewalttätigen Piraten« gesprochen, die »in Handschellen« von Bord geholt werden sollten. Am Donnerstag drohte der italienische Innenminister den Flüchtlingen erneut: »Wenn es Gewalt (an Bord der 'Vos Thalassa') gab, werden die Verantwortlichen ins Gefängnis gehen, und wenn es nicht so war, dann hat jemand gelogen und wird die Konsequenzen tragen.«

Der Vize-Ministerpräsident und Vorsitzende der rassistischen Partei Lega verfolgt das Ziel, keine Flüchtlinge mehr in Italien aufzunehmen. Im Juni hatte er entschieden, dass Schiffe von Hilfsorganisationen mit Flüchtlingen an Bord nicht mehr in italienischen Häfen anlegen dürfen. Dieses Verbot will Salvini auch auf die Schiffe offizieller internationaler Missionen im Mittelmeer ausweiten. Er will damit den Druck auf die anderen EU-Staaten erhöhen, selbst Flüchtlinge aufzunehmen.

Italien ist das Hauptankunftsland für Flüchtlinge, die von Afrika aus über das Mittelmeer in die EU gelangen. Die komplette Abschottung des Landes ist allerdings innerhalb der italienischen Regierungskoalition umstritten: Der linke Flügel der mitregierenden Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) von Luigi Di Maio lehnt die Schließung der Häfen für Schiffe mit Flüchtlingen ab, vor allem, wenn sie unter italienischer Flagge fahren. dpa/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.