• Politik
  • Protest gegen Rechtsruck in Bayern

Theaterdonner um Großdemo »ausgehetzt«

Die CSU will den städtischen Bühnen in Bayerns Hauptstadt anlässlich einer bevorstehenden Protestaktion einen Maulkorb verpassen

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.

»Schöne neue Welt« von Aldous Huxley steht am kommenden Sonntag um 18.00 Uhr auf dem Programm des Münchner Volkstheaters. Zwei Stunden später, um 20.00 Uhr, beginnt an den Kammerspielen das Theaterstück »Nachts, als die Sonne für mich schien« von Uisenna Borchu. Und um 19.00 Uhr läuft im Residenztheater der »Volksfeind« von Henrik Ibsen an. Wenn all diese Aufführungen über die Bühne gehen, ist der erste Akt eines Politdramas bereits vorbei. Der Titel: »CSU-Bürgermeister gegen Münchner Theater«. Dabei geht es um die Beteiligung der Intendanten an der am Sonntag bayernweiten Großdemonstration »ausgehetzt«, die sich gegen Rechtsruck und einer »Politik der Angst« wendet.

Den Aufruf dazu haben auch die Intendanten Matthias Lilienthal (Kammerspiele) und Christian Stückl (Volkstheater) unterschrieben. Das Residenztheater twitterte Zustimmung. Das alles brachte Münchens Zweiten Bürgermeister Josef Schmid (CSU) auf die Palme, er will den städtischen Bühnen die Teilnahme an der Demonstration verbieten.

Der Protest richtet sich gegen die Sprache des Hasses und der Verachtung, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen eine »Politik der Angst« und für eine soziale Demokratie. Der Zug soll sich von vier Startplätzen aus quer durch die Münchner Innenstadt bewegen. »Die zur Demonstration aufrufenden Organisationen fordern wahlkämpfende Politiker und insbesondere die bayerische Regierung auf, die Gesellschaft nicht weiter durch eine eskalierende und verrohende Sprache, die aus der Angst vor dem eigenen Machtverlust entsteht, zu spalten und zu verunsichern«, heißt es in dem Aufruf. Und: »Die Politik der Angst, die beispielsweise Geflüchtete und deren Helfer kriminalisieren und Seenotrettung unter Strafe stellen möchte, demontiert unsere demokratischen Grundwerte und kommt allein Rechtspopulisten zu Gute.«

Das Ziel der Demo: »In einem gesellschaftlichen Klima, in dem einzelne Politiker die Spaltung der Gesellschaft betreiben, wollen wir das Prinzip von Solidarität und Menschlichkeit in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs zurückholen«, so Thomas Lechner, von der Initiative »Gemeinsam für Menschenrechte & Demokratie«. Unterzeichnet haben den Aufruf eine Vielzahl an Organisationen, darunter die Kammerspiele.

Das brachte Josef Schmid auf den Plan. Er und die Münchner CSU pochen auf die politische Neutralität, zu der die städtischen Bühnen verpflichtet seien. Zwar könne jeder als Privatperson seine Meinung frei äußern und dürfe an Demonstrationen teilnehmen, schrieb Schmid in einer SMS, öffentliche Institutionen aber seien »aus gutem Grund dazu angehalten, sich politisch neutral zu verhalten«. Dieses Gebot der politischen Neutralität hätten die Münchner Kammerspiele als Erstunterzeichner und das Münchner Volkstheater hinsichtlich der Demonstration am kommenden Sonntag verletzt.

Nach diesem Angriff erhielten die beiden Theater Schützenhilfe: Das staatliche Residenztheater in München erklärte per Twitter seine Solidarität mit den beiden Bühnen: Es könne nicht sein, dass diesen nun dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen drohten, »weil sie eine Demonstration unterstützen, die die Werte unserer demokratischen Grundordnung stärken möchte«. Die Demonstration am Sonntag richte sich »nicht pauschal gegen die CSU, sondern gegen eine verantwortungslose Politik der Spaltung«. Kulturschaffende sollten dagegen Stellung beziehen können.

Doch die CSU beharrte darauf, den beiden städtischen Häusern die Teilnahme zu verbieten und eröffnete einen zweiten Akt im Gängelungsdrama: Bürgermeister Schmid blieb der Vertragsverlängerung des Volkstheater-Intendanten Stückl fern. Der Vertrag von Lilienthal endet (auf Betreiben der CSU) im Jahr 2020.

Die Münchner Kulturszene reagierte mit scharfer Kritik an der CSU-Forderung. »Position zu beziehen war und ist Teil unseres kulturellen Auftrags«, sagte etwa Hans-Georg Küppers (SPD), Kulturreferent von München. Und betonte, man werde sich all denen - auch Politikern - entgegenstellen, »die sich in munterer Kaltblütigkeit, mit populistischer Stimmungsmache und voll eitler Selbstgerechtigkeit von demokratischen, kulturellen und moralischen Grundwerten unserer Gesellschaft verabschieden«.

Im Stadtrat rief Grünen-Fraktionschef Florian Roth die Münchner CSU dazu auf, »ihren Feldzug gegen die freie Meinungsäußerung umgehend einzustellen und sich stattdessen um die Verrohung der Sprache in der eigenen Partei zu kümmern.« Kulturschaffende könnten nicht einfach aus dem politischen Diskurs ausgegrenzt werden, nur weil ihr Gehalt aus dem städtischen Kulturetat komme.

Die Theaterleute wollen bei ihrer Haltung bleiben. Und als Kulturschaffende sind sie bei der Demo nicht alleine. Auf der Schlusskundgebung am Odeonsplatz um 15 Uhr werden eine ganze Reihe von Künstlern sprechen und auftreten, darunter die Kabarettisten Max Uthoff, Luise Kinseher, Urban Priol und Georg Schramm.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.