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Zielsicher im Abseits

Die Reform der Sportförderung könnte Randsportarten wie dem Bogenschießen mehr Geld in die Kassen spülen

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 6 Min.

Bogenschießen - das kennen die meisten aus dem Ferienlager oder aus Robin-Hood-Filmen: Ein paar handgeschnitzte Pfeile werden mit einem selbstgebastelten Holzbogen auf eine Zielscheibe geschossen. Ganz so urig geht es beim Bogenschießen-Weltcup, der seit Dienstag noch bis Sonntag in Berlin stattfindet, nicht zu. Doch auch wenn die Bögen mittlerweile technologisch hoch entwickelte Sportgeräte sind, das Prinzip ist dasselbe geblieben: Mit bis zu 230 Kilometern pro Stunde schießen die Bogenschützen ihre Pfeile auf eine Zielscheibe in 70 Meter Entfernung, deren innerer Ring einen Durchmesser von gerade einmal zwölf Zentimetern hat - Robin Hood wäre blass vor Neid angesichts dieser Präzision.

Während Bogenschießen in Asien ein Massenphänomen ist, fristet es in Europa eher ein Nischendasein. Obwohl es sich auch hierzulande langsam größerer Beliebtheit erfreut, wie die wachsenden Vereinsmitglieder- und Zuschauerzahlen belegen. Daher verwundert es nicht, dass mittlerweile auch die deutschen Bogenschützen gute Chancen beim Weltcup haben. Mehr als 350 Teilnehmer aus 50 Ländern gehen in den Disziplinen Recurve- und Compoundbogen an den Start. Der Berliner Weltcup ist die vierte und letzte Möglichkeit für die Qualifikation zum Weltcupfinale Ende September im türkischen Samsun. »In Shanghai, Antalya und in Salt Lake City waren wir jedes Mal im Medaillenbereich. Es wäre natürlich schön, wenn wir in Berlin, der Hochburg für Bogenschießen, auch im Finale wären«, sagt Heiner Gabelmann, Sportdirektor des Deutschen Schützenbundes (DSB), im Gespräch mit »nd«.

Darauf hofft auch Lisa Unruh, die 2016 bei Olympia in Rio mit Silber die erste deutsche Einzelmedaille überhaupt in dieser Sportart gewann. Während draußen die Sonne auf den Rasen des Maifelds im Olympiapark brennt, wo die Vorrunde des Weltcups stattfindet, und in der Ferne die Zielscheiben flimmern, sitzt die 30-Jährige entspannt in einem der umliegenden Zelte. »Ich bin gut vorbereitet. Wenn ich mutig und konsequent meine Schüsse und meine Technik mache, kommen die guten Resultate von alleine«, ist sie überzeugt. Vier bis sechs Stunden am Tag hat Unruh Schießtraining, dazu noch dreimal die Woche Lauf- und Krafttraining und mindestens zwei-, dreimal die Woche Yoga oder Meditation. »Da ist der Tag auch schnell vorbei«, sagt sie und lacht.

Zum Bogenschießen kam die gebürtige Berlinerin über Umwege. Auf der Sportschule in Hohenschönhausen war Unruh zunächst Leistungsschwimmerin. Als absehbar wurde, dass es dabei für die Weltklasse nicht reicht, suchte sie nach einer anderen Sportart. Ihr Schwimmtrainer schickte sie schließlich zum Bogenschießen. Die Voraussetzungen seien schließlich ähnlich: gute körperliche Verfassung, gutes Koordinations- und Körpergefühl, Kraft. »Ich habe es ausprobiert und fand es direkt total geil.« Unruh überzeugte, schon nach drei Monaten qualifizierte sie sich für die deutsche Meisterschaft, mit 15 kam sie in den Nationalkader. Dort gab es dann 75 Euro im Monat von der Sporthilfe. »Für eine 15-Jährige ist das in Ordnung«, sagt sie schmunzelnd.

Mittlerweile ist Unruh Vollprofi und in der Spitzenförderung der Bundespolizei. Sie kann sich hauptberuflich dem Bogenschießen widmen. Dieses Glück haben jedoch nicht alle. Andere können davon nicht leben. »In Amerika kann man das und in Südkorea, aber nicht in Deutschland«, stellt die 1,78 Meter große Bogenschützin bedauernd fest. Natürlich sei es besser, wenn man sich ganz auf den Sport konzentrieren könne, aber dafür bräuchte man Geld. »Das ist halt das Problem, die Leute interessieren sich hauptsächlich für Formel Eins und für Fußball. Es gibt aber auch noch andere Sportarten in Deutschland.«

Für die ist die Sportförderung des Bundes daher umso wichtiger. Der Bundesrechnungshof stellte jedoch bereits Anfang 2015 fest, dass die knapp 170 Millionen Euro pro Jahr nicht nach objektiven und transparenten Kriterien vergeben wurden. Zwei Jahre dauerte es daraufhin, bis Ende 2016 eine Leistungssportreform beschlossen wurde. Vorrangiges Ziel sind mehr Medaillen bei Großevents wie den Olympischen Spielen. Die sieben Wintersportverbände wurden jetzt erstmalig mit dem Herzstück der Reform, dem sogenannten Potenzialanalysesystem (PotAS) evaluiert. 151 Fragen zu 37 Disziplinen mussten dafür beantwortet werden. Die PotAS-Kommission wollte wissen, wo die Talente lauern, wie sie gefördert werden und wie wissenschaftliche Erkenntnisse genutzt werden. Nun beginnt die Auswertung, bis Ende September soll dann die Förderentscheidung fallen. Bislang wurde stets geschaut, wie viele Medaillen beispielsweise bei den vergangenen Olympischen Spielen geholt wurden, und danach das Geld ausgeschüttet. Nun soll sich die Förderung nach dem Potenzial richten.

»Die Sportförderung wird dadurch objektiver«, ist DSB-Sportdirektor Heiner Gabelmann überzeugt. Für das Bogenschießen sei die Sportförderung des Bundes enorm wichtig, um auch international mithalten zu können. »Wir sind eine Randsportart, die abseits der olympischen Spiele in der medialen Aufmerksamkeit verschwindet.« Das führe dazu, dass publikumsträchtige Sportarten, die auch im Fernsehen gezeigt werden, beispielsweise über Werbeverträge wesentlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung haben. »Wir hingegen hängen sehr stark von unseren Mitgliedsbeiträgen ab.«

Dabei stehen der Deutsche Schützenbund und seine 20 Landesverbände gar nicht so schlecht da: Mit rund 1,4 Millionen Mitgliedern ist er der viertgrößte Sportverband in Deutschland. Trotzdem sei man auf die Unterstützung durch die Sportförderung angewiesen, meint Gabelmann. Die müsste nach Ansicht des Sportdirektors sogar noch höher ausfallen: »Angesichts unserer Erfolge sind die Zuschüsse für den Leistungssport zu wenig. Auch im Vergleich mit anderen Verbänden wie Leichtathletik oder Schwimmen, die schlechter abschneiden und trotzdem mehr gefördert werden«, kritisiert Gabelmann.

Von der Reform erhofft sich sein Verband daher mehr Geld. »Wir erwarten ein positives Ergebnis. Wenn das richtig gemacht wird, werden unsere Zuschüsse steigen, zumal wir ja bei den letzten Olympischen Spielen in Rio gut abgeschnitten haben und auch in Tokio gut aufgestellt sein werden.« Mit der Reform ist auch die Hoffnung auf mehr Fördermittel für den Leistungssport insgesamt verbunden. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) fordert rund 100 Millionen Euro zusätzlich. Innenminister Horst Seehofer stellte kürzlich eine deutliche Mittelsteigerung in Aussicht. Über die genaue Höhe wollte er sich jedoch nicht äußern. Lediglich, dass es sich »in der Nähe dessen, was der DOSB wünscht«, befinden soll.

Ob die Bogenschützen durch die Reform tatsächlich mehr Geld erhalten, wird sich erst nach Olympia 2020 zeigen. Erst mal hofft Gabelmann auf einen erfolgreichen Weltcup in Berlin. Noch sind trotz des guten Wetters nicht viele Zuschauer im Olympiapark, für das Finale am Wochenende im Lilli-Hennoch-Sportplatz am Anhalter Bahnhof ist Gabelmann jedoch zuversichtlich. Für Lisa Unruh ist das Turnier gut angelaufen: Sie erreichte am Donnerstag das Einzelfinale mit dem olympischen Recurve-Bogen und trifft am Sonntag auf die Südkoreanerin Eun Gyong Lee. »Es war mein Traum, in meiner Heimatstadt im Goldfinale zu schießen!«, freut sich Unruh. Damit hat sie sich zum zweiten Mal in ihrer Karriere für das Weltcup-Finale, an dem die besten acht Schützinnen der vier Weltcups teilnehmen, qualifizierte.

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