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  • Streit um Paragrafen 219a

Frauen vor Belästigung schützen

Cornelia Möhring im Interview über ihre Hoffnung auf eine reale Mehrheit im Bundestag für eine Änderung des Paragrafen 219a

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 5 Min.

Abtreibungsgegner hielten kürzlich in mehreren deutschen Städten Mahnwachen vor Beratungsstellen von Pro Familia ab. Warum trifft es gerade diesen Verband?

Den Abtreibungsgegnern geht es darum, Frauen zu belästigen, die bei einer ungewollten Schwangerschaft eine Schwangerschaftskonfliktberatung aufsuchen. Dass sie sich bewusst Pro Familia aussuchen und bisher nicht vor anderen Beratungen protestieren, kann daran liegen, dass der Verband deutliche Positionierungen zum Paragraf 218 ff, dem Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch, hat und umfassende Beratungsangebote zu allen Fragen sexueller Selbstbestimmung anbietet.

Zur Person

Cornelia Möhring ist frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Schon während ihres Studiums zur Sozialwirtin in Hamburg setzte sie sich intensiv mit Feminismus auseinander. Bevor sie 2009 erstmals in den Bundestag einzog, arbeitete sie als Beraterin für Betriebs- und Personalräte. Mit ihr sprach Josephine Schulz.

In Pforzheim und Frankfurt a. M. wurden 40-tägige Mahnwachen organisiert, weitere sind für Herbst geplant. Wer steckt hinter diesen Aktionen? AfD-Anhänger, Ultrareligiöse, Christsoziale?

Ich würde da keine parteipolitische Zuordnung treffen. Aber wir können davon ausgehen, dass sich in der AfD viele Abtreibungsgegner versammeln. Diese rüsten in Deutschland seit Jahren auf, etwa mit dem sogenannten »Marsch für das Leben«. Die AfD greift ihre Themen auf und mischt mit prominenten Mitgliedern wie Beatrix von Storch selbst in der Szene mit. Wir erleben außerdem, dass Akteure, die gegen Selbstbestimmungsrechte von Frauen aktiv werden, in hohem Maße international vernetzt sind.

Die Organisation 40daysforlife kommt aus den USA. Auf ihrer Website werden Aktionen in über 20 Ländern beworben, auch jene in Deutschland. Wieso sind die selbsternannten Lebensschützer bei der Vernetzung so erfolgreich?

Auf Grundlage von Veröffentlichungen und Recherchen, etwa des TV-Senders Arte, vermute ich, dass hinter solchen Kampagnen Akteure mit viel Geld und auch klerikale Kreise stecken. Die sind zwar in Deutschland nicht so verbreitet wie in den USA, das heißt aber nicht, dass ihre Denkweise nicht auf fruchtbaren Boden trifft. Denn auch hierzulande haben wir patriarchale Strukturen und ein entsprechendes frauenfeindliches Gedankengut.

Pro Familia hat erfolglos versucht, die Mahnwachen vor ihren Türen verbieten zu lassen. Sie haben beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages dazu ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Fänden Sie es denn richtig, solche Proteste zu unterbinden?

Nein. Das hohe Gut der Versammlungsfreiheit muss unbedingt gewährleistet sein. Der Wissenschaftliche Dienst hat unsere rechtliche Einschätzung in dieser Hinsicht bestätigt. Die Frage ist aber, wie Menschen gleichzeitig ungestört die Beratung nutzen können. Eine Möglichkeit wäre eine Regelung im Schwangerschaftskonfliktgesetz, die festlegt, dass die entsprechenden Beratungsstellen besonders schützenswerte Orte sind und eine störungsfreie Arbeit möglich sein muss.

Wäre das nicht gleichbedeutend mit einer ortsbezogenen Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, die das Gutachten kritisch sieht?

Das würde ich nicht so interpretieren. Die Länder sind nach Schwangerschaftskonfliktgesetz verpflichtet, ein ausreichendes Angebot an Beratungsstellen vorzuhalten. Es braucht also gesetzliche Regelungen, die das in der Praxis auch gewährleisten. Beratungssuchende dürfen nicht belästigt werden und der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte muss ebenfalls sichergestellt sein.

Vor den Beratungsstellen von Pro Familia haben sich schnell Demonstrationen gegen die Mahnwachen gebildet. Aber inwiefern hilft den Betroffenen eine zweite Kundgebung vor der Tür?

Es ist großartig, dass die Gegenproteste mit Unterstützung der Zivilgesellschaft so schnell realisiert wurden. Das Ziel für die Menschen, die zu den Beratungen gehen, muss natürlich sein, dass sie von keiner Aktion aufgehalten werden. Wir wissen aber aus Gesprächen mit Betroffenen, dass sie es nicht negativ, sondern stärkend wahrnehmen, wenn Aktionen gegen die Abtreibungsgegner stattfinden.

Sie sprechen sich gegen die Pflicht zur Beratung vor Schwangerschaftsabbrüchen aus. Warum?

Ich denke, das Selbstbestimmungsrecht der Frau würde sich am ehesten durchsetzen, wenn es anstelle einer Pflicht ein Beratungsrecht gäbe. Eine Frau, die ungewollt schwanger wird, sucht sich in der Regel ohnehin Beratung. Eine Pflicht ist dafür nicht nötig, sondern bevormundend. Wichtig ist vielmehr, dass die Beratungsstellen finanziell abgesichert und ausgebaut werden. Aus diesem Grunde fordert meine Fraktion mit der Umwandlung der Beratungspflicht in ein Recht auch die gesicherte und umfassende Absicherung aller Beratungsstellen.

Bei den Themen Migration und Flucht haben es die Rechtspopulisten geschafft, Diskurs und konkrete Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sehen Sie diese Gefahr auch mit Blick auf Frauenrechte?

Im Gegenteil. Meine Wahrnehmung ist eher, dass Frauen unterschiedlichsten Alters anfangen, sich nun auch gemeinsam für ihre Selbstbestimmungsrechte stark zu machen. Viele haben vorher gar nicht gewusst, dass etwa der Paragraf 219a noch existiert. Durch die öffentliche Diskussion um das Thema wird die Bewegung für sexuelle Selbstbestimmung stärker. Aber wir müssen trotzdem wachsam sein und uns noch stärker vernetzen.

Auch wenn ein großer Teil der Bevölkerung sich für Frauenrechte stark macht; politisch sind Vorhaben wie die Abschaffung des Paragrafen 219a gegen die Union schwer durchzusetzen. Was heißt das für Sie als Abgeordnete?

Union und AfD machen Politik, die nicht im Interesse von Frauen ist und das machen sie bewusst. Aber es gibt eine parlamentarische Mehrheit - gerade was den 219a angeht - von LINKEN, Grünen, FDP und SPD. Und um diese Mehrheit kämpfen wir. Die Sozialdemokraten können sich da nicht länger herausreden. Sie haben nach meiner Kenntnis einen Beschluss gefällt, dass es entweder im Frühherbst einen Gesetzesentwurf der zuständigen Ministerien gibt oder die Abstimmung im Bundestag freigegeben wird. Ich gehe von Letzterem aus. Denn dass Katarina Barley und Jens Spahn sich in dieser Frage einigen, kann ich mir kaum vorstellen.

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