Antifa-Recherche: Gewaltbereites Neonazi-Netzwerk in Deutschland aktiv

Das internationale Terrornetzwerk »Combat 18« verfügt offenbar auch in Deutschland über umfangreiche Strukturen - die Linkspartei wirft Behörden systematische Verharmlosung vor

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Das NSU-Verfahren mag abgeschlossen sein - die Gefahr, die in Deutschland von rechtsradikalen Terrorzellen ausgeht, ist jedoch weiterhin groß. Der antifaschistische Recherchezusammenschluss »Exif« hatte jüngst Informationen zur gewaltbereiten Neonazi-Gruppierung »Combat 18« (C 18 - Kampfgruppe Adolf Hitler) veröffentlicht. Die »nd« vorliegenden Dokumente legen nahe, dass es sich bei dieser um eine weitaus gefährlichere Organisation handelt, als Behörden bisher eingeräumt hatten.

»Das von uns vorgelegte Material zu den aktuellen ›C 18‹-Strukturen in Deutschland allein ist brisant - Hunderte Namen, mehrere Sektionen in Deutschland, eingebunden in ein internationales Netzwerk von gewalttätigen Neonazis«, erklärten die Antifaschisten gegenüber »nd«.

Die Recherchen offenbaren einen interessanten Einblick in das Innenleben der Gruppe. »C 18« ist demnach derzeit so selbstbewusst, dass man sich sogar ein eigenes Handbuch gegeben hat. In diesem wurden im Stil einer Vereinssatzung verschiedene »Bruderpflichten« festgehalten wie regelmäßige Treffen, Aufnahme- und Ausschlusskriterien sowie eine Kleiderordnung. Es gibt Regeln zur Nutzung von sozialen Netzwerken, Bestimmungen, wann man vom Unterstützer zum Vollmitglied befördert wird, oder Erklärungen, wie die verschiedenen Sektionen nach »Bundesland/Gau« aufgeteilt sind.

Besonders interessant: Eine monatliche Mitgliedszahlung von 15 Euro wird erwähnt. Unterlagen von »Exif« belegen, wie zwischen 2014 und 2017 Zahlungen auf ein Sparkassenkonto in Kassel eingegangen sind. Dieses soll Stanley R. gehören - die GSG9 hatte den bekannten Rechtsradikalen im September 2017 aufgegriffen, als er mit Neonazis von einem Schießtraining aus Tschechien zurückgekehrt war. R. hatte Munition mitgebracht und wurde dafür zu einer Geldstrafe verurteilt. Laut »Exif« könne man rund 50 Personen aktuell eine Mitgliedschaft bei »C 18« in Deutschland nachweisen. Regionale Schwerpunkte seien Dortmund, Ostholstein, Thüringen und Nordhessen, »Kristallisationsfigur« der thüringische NPD-Funktionär Thorsten Heise.

»Combat 18« wurde 1992 von gewaltbereiten englischen Neonazis gegründet. Das von der Gruppe propagierte Konzept des rassistischen Terrors - »führungsloser Widerstand« kleiner, voneinander unabhängiger Zellen - traf weltweit auf Resonanz in der Szene. Mitglieder organisierten sich Waffen, erstellten Todeslisten, verübten Anschläge und attackierten politische Gegner. Erst im März wurde in Griechenland eine Zelle ausgehoben, die 30 Anschläge verübt haben soll. Heute gibt es nach Recherchen von »Exif« miteinander vernetzte »Divisionen« in rund 25 Staaten. Die »C18«-Gruppen verstehen sich dabei selbst als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks »Blood & Honour« (B & H - Blut und Ehre).

Erste Aktivitäten unter dem Label »C 18« gab es in den 1990er Jahren in Deutschland, 2012 hatte sich die hiesige Struktur neu gegründet. Der Bundesregierung ist seit 2013 bekannt, dass der Zusammenhang in Deutschland aktiv ist. Während »B & H« im Jahr 2000 verboten wurde, ließ man »C 18« gewähren.

Der Verfassungsschutz beobachtet die Gruppe, misst ihr offenbar aber keine größere Bedeutung zu. Man sehe zwar »prinzipielles Gefährdungspotenzial«, schrieb das Bundesamt für Verfassungsschutz im Dezember 2017. Der szeneinterne Bezug auf C 18 diene in der Regel aber »eher der eigenen Aufwertung« und sollte »nach außen den Eindruck von Gefährlichkeit« vermitteln. Es gebe weder vor noch nach dem Verbot von »B & H« zielgerichtete Bestrebungen, »C 18« als »bewaffneten Arm« zu etablieren.

»Exif« nennt solche Worte eine »konsequente Verharmlosung«. Genau wie beim NSU sei zudem auch hier eine Involviertheit der Behörden wahrscheinlich. »Eine solche Struktur entwickelt sich nicht abseits der behördlichen Wahrnehmung«, so die Antifaschisten. »Im Gegenteil müssen wir davon ausgehen, dass der Staat bis zum Kopf in ›C 18‹ Deutschland verstrickt ist und die Gruppen aufgrund von Quellenschutz protegiert.«

Kritik kommt auch von der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (LINKE). »Das Combat-18-Netzwerk wird von deutschen Behörden nach wie vor systematisch verharmlost«, sagte die Politikerin gegenüber »nd«. Renner verwies auch auf bisher ungeklärte Bezüge der Gruppe zum NSU, die in dem zurückliegenden Verfahren bekannt geworden sind. »Combat 18 und Blood & Honour bildeten eine Unterstützungsstruktur für den NSU und ich gehe davon aus, dass ein großer Teil des NSU-Netzwerkes noch aktiv und unbehelligt ist.«

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