Schwierige Beziehungen
Steven Amsterdam beschäftigt sich in seinem Roman »Einfach gehen« auch mit der Problematik Sterbehilfe
Über den Tod denkt man nicht gerne nach. Wer hat nicht Angst vor der Tatsache, sterblich zu sein? Und was nützt es, wenn man sich ständig daran erinnert, dass man dem eigenen Ende wieder eine Minute näher gekommen ist? Andererseits gilt es als weise, sich auf den Tod vorzubereiten.
Der in New York geborene und seit langem in Australien lebende Autor Steven Amsterdam versucht, dem Thema von einer ungewöhnlichen Seite näher zu kommen. Sein Roman »Einfach gehen« handelt von Evan, einem Krankenpfleger, der sich, nach dem qualvollen Tod einer Patientin auf eine freie Stelle in einem Pilotprojekt für medizinische Sterbehilfe bewirbt. In dem Projekt wird Patienten, die unter einer unheilbaren Krankheit leiden und nur noch wenig Zeit zu leben haben, erlaubt, sich assistiert das Leben zu nehmen. Dabei soll Evan den Patienten nicht nur das Schlafmittel reichen, das sie töten wird, sondern auch dafür sorgen, dass alles emotional angemessen und vor allem rechtlich abgesichert abläuft. Denn der Patient darf seinem Leben nur freiwillig und bei vollem Bewusstsein vorzeitig ein Ende bereiten.
Sein erster Fall, der einundvierzigjährige Teddy, ein Zimmermann, »der nicht an Sonnencreme glaubte«, scheint unkompliziert. Aber als Evan in sein Zimmer tritt, sind da plötzlich außer seiner Frau auch noch seine drei kleinen Töchter. Und nicht nur das, Teddys Frau meint plötzlich, sie könne »das jetzt nicht«. Doch Teddy will sterben, die Metastasen haben schon seinen ganzen Körper befallen, er weiß, dass es nur noch schlimmer wird. Und er ist der Boss der Familie, er entscheidet. Als Evan dann das Mittel verschüttet, droht die Situation aus dem Ruder zu laufen. Neues zu besorgen würde mindestens eine halbe Stunde Zeit bedeuten, geht ihm hektisch durch den Kopf.
Beeindruckend, wie es dem Autor gelingt, Situationen im Nebeneinander von Dramatik und Banalität zu schildern. Doch eigentlich geht es in »Einfach gehen« nicht so sehr um die letzten Momente des Lebens, es geht auch nicht nur um die Patienten, die den Mut haben, ihr Leben selbst zu beenden, es geht um Evan, der sie dabei unterstützen soll.
Als Einzelkind aufgewachsen, hatte sich sein Vater früh das Leben genommen. Er ist schwul, aber eine feste Liebesbeziehung hatte er noch nie. Zu dem Paar, mit denen er hin- und wieder ins Bett geht, hält er Distanz, obwohl beide ihn sehr mögen und sich um ihn bemühen. Das hängt auch mit seiner Mutter zusammen, von der Evans einzige wirkliche Freundin, die er noch aus der Kindheit kennt, behauptet, sie sei es, die er eigentlich liebt. Denn obwohl Vivian am liebsten alleine ist und ihre Probleme selbst regelt, versucht Evan immer wieder, ihre Zuneigung zu gewinnen. Besonders nachdem bei ihr Morbus Parkinson diagnostiziert wurde, will er ihr helfen. Doch Vivian wehrt sich dagegen.
Steven Amsterdam, der selbst als Palliativpfleger arbeitet, erzählt in »Einfach gehen« umfassend von Problemen, die viele bewegen. Manchmal würde man sich einen kürzeren Text gewünscht haben. Der flapsige, am Anfang noch witzige Tonfall, erschöpft sich mit fortlaufender Erzählung. Dann wirkt auch der Sarkasmus des Autors seltsam unbeteiligt. So, wie es Vivian von Evan sagt: »Du mit deinem Sarkasmus, du hast doch echt eine Macke. Als ob du damit deine ständige Zurückhaltung rechtfertigen könntest … Du willst dich nur raushalten.«
Steven Amsterdam: Einfach gehen. Roman. Aus dem Englischen von Marianne Bohn. Unionsverlag, 352 S., geb., 18,99 €.
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