Macris Militärreform stößt auf Kritik

Argentiniens Präsident will Armee künftig auch im Inneren einsetzen

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Dekret aus dem Jahr 2006 beschränkte die Rolle der Armee in Argentinien auf die Verteidigung gegen Angriffe von außen. Diese Anordnung hat der neoliberale Präsident Mauricio Macri jetzt aufgehoben. Künftig sollen Argentiniens Militärs an zwei Fronten eingesetzt werden. »Das Militär muss seinen Beitrag zur inneren Sicherheit leisten«, verkündete Macri zu Wochenbeginn im Militärstützpunkt Campo de Mayo.

Nach dem Willen des Präsidenten sollen Soldaten zukünftig im Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus eingesetzt werden, sowie zur Sicherung strategischer Orte im Inland. »Wir leben in einer Zone des Friedens und Stabilität, aber unsere Streitkräfte müssen fähig sein, den Bedrohungen des 21. Jahrhunderts entgegenzutreten«, so Macri. Er kündigte eine grundlegende Restrukturierung der Streitkräfte an.

In Argentinien darf das Militär nicht für innere Angelegenheiten eingesetzt werden. Das ist in drei Gesetzen festgeschrieben. Lediglich logistische Hilfe war bis 2006 erlaubt. Doch selbst die wurde von dem damaligen Präsidenten Néstor Kirchner per Dekret untersagt. Um die bestehenden Gesetze zu ändern, bedarf es allerdings der Zustimmung des Kongresses. In beiden Kammern hat der Präsident jedoch keine eigene Mehrheit.

Campo de Mayo ist einer der symbolträchtigsten Orte der blutigen Militärherrschaft 1976 bis 1983. Seit dem Ende der Diktatur bestand ein weitreichender gesellschaftlicher Konsens, dass die Militärs sich ausschließlich auf die Landesverteidigung zu beschränken haben. Dass dieser Konsens aufgeweicht werden soll, belegen die Aussagen von Sicherheitsministerin Patricia Bullrich. Man solle den Militärs die Chance geben, sich in die Demokratie zu integrieren, so Bullrich. »Vor 35 Jahren endete die Diktatur und seit 30 Jahre sind unsere Streitkräfte paralysiert,« so Bullrich, die auch für die Sicherung des G-20-Treffens im November in Buenos Aires zuständig ist.

Macris Vorstoß ist höchst umstritten. Für Paula Litvachky von der Menschenrechtsorganisation CELS stehen hinter den mutmaßlichen Bedrohungen des 21. Jahrhunderts politische Konzepte aus den USA. »Niemand weiß, um welche konkreten Bedrohungen gegen Argentinien es geht und warum Argentinien dagegen intervenieren sollte.« Macris Aussage, das Militär müsse seinen Beitrag zur inneren Sicherheit leisten, lassen jedwede Spekulation zu. Völlig offen sei, was als strategische Orte zu gelten habe. Werde beispielsweise das Fracking-Gebiet Vaca Muerta im Süden des Landes dazu erklärt und Soldaten gegen den Protest der indigenen Mapuche eingesetzt?, fragt Litvachky. »In Zeiten der sozialen Konflikte braucht die Regierung einen überdimensionierten Sicherheitsapparat«, so ihr Fazit.

Zuletzt hatte es zwischen Regierung und Militärs kräftig geknirscht. Zum einen wegen den Ungereimtheiten beim Verschwinden und der noch immer erfolglosen Suche nach dem gesunkenen U-Boot »ARA San Juan« und seiner 44-köpfigen Besatzung im November vergangenen Jahres. Und zuletzt am 9. Juli, als die traditionelle Militärparade zum Unabhängigkeitstag erstmals abgesagt wurde, da die Regierung Proteste von Militärangehörigen gegen die niedrige Besoldung und den schlechten Zustand bei der Ausrüstung befürchtete. Ob Macris Ansinnen für Entspannung sorgt, ist offen.

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