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  • Christopher Street Day Berlin

Bunt, schrill, kämpferisch

Zum 40. Jubiläum will sich der Christopher Street Day von seiner politischen Seite zeigen

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 4 Min.

Etwa 500 Menschen nahmen an der ersten Berliner Demo zum Christopher Street Day zehn Jahre nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Gästen der New Yorker Schwulenkneipe »Stonewall Inn« teil. Viele von ihnen demonstrierten vermummt für die Rechte von Lesben und Schwulen und die Abschaffung des Paragrafen 175, der Homosexualität unter Männern verbot.

Das war 1979. Inzwischen ist der Berliner CSD ein riesiges Event geworden, in Europa der größte Aufzug seiner Art. Fast 40 Jahre nach dem ersten CSD erwarten die Organisator*innen eine Million Teilnehmer*innen. Über 60 Wagen und 27 Fußgruppen sind angemeldet, die an diesem Samstag mit viel Tamtam durch die City-West ziehen werden.

Politische Forderungen des CSD

Das Forum des CSD-Vereins fordert mehr Sichtbarkeit für lesbische Frauen. Darunter fällt die gleichberechtigte Repräsentation von Lesben in den Medien.

Fremdbestimmte, geschlechtsverändernde und medizinisch nicht notwendige Operationen an intergeschlechtlichen Kindern, Minderjährigen und Erwachsenen sollen strafrechtlich verfolgt werden.

Der CSD fordert die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und stattdessen die freie Vornamens- und Personenstandswahl für alle.

Die Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung aufgrund von Krankheit und Behinderung muss - auch innerhalb der LSBTTIQ-Community - bekämpft werden.

Das Forum fordert, dass alle Familienentwürfe auch außerhalb der heterosexuellen Eltern-Kind-Familie gleichgestellt werden.

Der Berliner Senat soll seine Städtepartnerschaften dazu nutzen, sich öffentlich wahrnehmbar für LSBTTIQ-Rechte in anderen Ländern einzusetzen.

Normkritische Gender-, Körper- und Sexualpädagogik soll an allen Bildungseinrichtungen umgesetzt werden.

Die Sichtbarkeit von LSBTTIQ-Mitarbeiter*innen am Arbeitsplatz muss gestärkt und Homophobie in der Belegschaft bekämpft werden. mjo

Mit der Entwicklung des CSD vom Protestmarsch zum schrillen Großevent wurde in den vergangenen Jahren auch Kritik aus der LSBTTIQ-Community (lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell, queer) größer. Der CSD sei kommerziell und unpolitisch geworden, lauteten die Vorwürfe. Viele Jahre fand deshalb in einem kleineren Rahmen der radikalere »Transgeniale CSD« und später der »X*CSD« in Kreuzberg statt. Nach 2016 fand sich für den alternativen CSD jedoch kein Organisationsteam mehr. Die Kritik am großen CSD jedoch bleibt.

Das wollen die Organisator*innen der diesjährigen Parade so nicht auf sich sitzen lassen. Alexandra Knoke, Vorstandsmitglied des CSD e.V., widerspricht dem Bild des CSD als »Riesenparty«: »Das sind wir garantiert nicht.« Das zeigten auch die elf vom Verein formulierten Forderungen (siehe Kasten), in denen es unter anderem um die Diskriminierung von Transpersonen und sogenannten Regenbogenfamilien geht. »Wir sind schließlich noch weit entfernt von Sichtbarkeit und Gleichstellung«, so Knoke. Und: »Der CSD wird bunt, schrill, politisch«, verspricht die Mitorganisatorin.

Monique King, ebenfalls aus dem Vorstand, betont, dass fast alle Mitarbeiter*innen des Teams ehrenamtlich arbeiteten und die Künstler*innen zudem auf die Gage verzichteten. Von der auf dem CSD vielfach zu sehenden Werbung würden Technik und Sicherheitsmaßnahmen bezahlt. »Würde jeder Besucher einen Euro geben, wären wir werbefrei«, so King. Auch wenn ein alternativer CSD viel radikaler sein könne, fordert King von den Teilnehmenden der großen Parade: »Nehmt euch, was ihr wollt! Es ist euer CSD!«

Die queere Rapperin Sookee, die am Samstag zum Abschluss des CSD am Brandenburger Tor auftritt, wünscht sich vor allem mehr Dialog zwischen »Mainstream und Subkultur«. Den großen CSD hält sie nicht für unpolitischer, sondern für die »staatstragende, repräsentative Variante«, bei der man sich weniger rausnehmen kann als bei einem kleineren alternativen CSD. Um sicherzugehen, dass die politische Botschaft des Christopher Street Day bei der Parade nicht untergeht, ist jeder Wagen dazu verpflichtet, einmal stündlich den Forderungskatalog über Lautsprecher abspielen. »Wir sind schließlich eine Demonstration«, sagt King.

Wenn Amed Sherwan beim CSD erscheint, wird es definitiv politisch werden. Der 19-jährige Aktivist ist Ex-Muslim und 2014 aus Irak nach Deutschland geflohen. Auf seiner Facebookseite ruft er mit einem »Allah is gay«-Shirt zu Solidarität mit muslimischen LSBTTIQ auf und kündigt seine Teilnahme beim CSD an. »Ich kenne mehrere schwule Muslime und viele Ex-Muslime. Leider outen sie sich nicht und sind auch in Europa noch sehr unsichtbar«, schreibt Sherwan.

Für seinen Post erhält er unzählige Gewalt- und Morddrohungen, die er ebenfalls auf seiner Facebookseite dokumentiert. »Du sagst Allah ist gay? Du wirst morgen sterben. Schreib dein Testament« ist dabei nicht die Schlimmste der Drohungen. Einschüchtern lassen will sich Sherwan trotzdem nicht: »Eure Morddrohungen werden mich nicht aufhalten. Wir sehen uns am Samstag in Berlin.«

Auch andere Akteure nutzen den CSD für ihre politischen Anliegen. Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) beispielsweise startet am Samstag ein Aussteiger-Programm für AfD-Mitglieder. »Wir wollen keine Menschen bekämpfen, aber menschenverachtende Gesinnungen«, sagt der LSVD-Landesgeschäftsführer Jörg Steinert über das Vorhaben. Bei der Demo soll das Programm dann vorgestellt werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mahnt anlässlich des Christopher Street Days vor Diskriminierung und Benachteiligung von LSBTTIQ am Arbeitsplatz. »Die Zahl derer, die wegen ihrer sexuellen Identität am Arbeitsplatz diskriminiert werden, ist immer noch sehr hoch«, kritisiert der DGB-Vorsitzende von Berlin und Brandenburg, Christian Hoßbach. Dazu gehören beispielsweise Beleidigungen, Mobbing und Nachteile bei der Stellenvergabe. Hoßbach fordert Betroffene dazu auf, Diskriminierungen nicht hinzunehmen und sich an Beratungsstellen, Gewerkschaften und Betriebsräte zu wenden. Neben sexueller Identität seien auch Geschlecht, chronische Erkrankungen und andere persönlicher Merkmale Anlass für Diskriminierung, heißt es in einer Stellungnahme des DGB. »Wir brauchen ein echtes Verbandsklagerecht, damit Betroffene durch Gewerkschaften und Antidiskriminierungsverbände unterstützt werden können«, fordert Hoßbach. »Das fehlt im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz leider - eine große Schutzlücke.«

Die Hürde, individuell einen Rechtsstreit zu führen und durchzustehen, sei für Betroffene meistens zu hoch. Um Benachteiligungen zumindest auf Landesebene besser zu bekämpfen, müsse Berlin die Verbandsklage »in umfassenden Antidiskriminierungsgesetzen verankern«, meint Hoßbach.

Die Jugendvereinigung des DGB hat anlässlich des CSD ein Pixi-Buch zum Thema »Deine Rechte am Arbeitsplatz« veröffentlicht. Darin finden sich unter anderem Tipps, wie man sich gegen Mobbing wehren kann sowie die Adressen von Beratungsstellen.

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