Immer sind die Gleichen vorn

Der Frankreich-Rundfahrt droht die Langeweile, daher planen die Veranstalter wohl schon Regeländerungen

  • Tom Mustroph, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Team Sky gewann sechs Mal in den letzten sieben Jahren die Frankreichrundfahrt der Radprofis. Zwar wechselte der Sieger: Auf Chris Froome folgte Geraint Thomas. Aber der britische Rennstall konnte wieder ein Rennrad gelb färben. Peter Sagan glückte die gleiche Serie in grün. Der Slowake holte sich zum sechsten Mal in sieben Jahren die Punktewertung. Diese Dominanz des Rennstalls von den Britischen Inseln und des Champions aus den slowakischen Bergen ist vergleichbar mit der des FC Bayern München in der Fußball-Bundesliga - ebenfalls sechs Titel in den vergangenen sieben Spielzeiten - oder der von Real Madrid in der Champions League: vier Erfolge in fünf Jahren.

Der Spannung ist dies abträglich. Weniger Zuschauer als gewohnt säumten wohl auch deshalb die französischen Straßen dieses Jahr. In Alpe-d’Huez standen an manchen Stellen sogar mehr Polizisten als Fans, Fünferreihen von Zuschauern auf den Champs Élysées hatten beim Finale an diesem Sonntag Seltenheitswert. Die immer gleichen Namen in den Siegerlisten sind für die Entertainment-Plattform Tour de France eine Gefahr. Deshalb schraubt Veranstalter ASO demnächst wohl wieder an der der Punktewertung herum. Mehr Punkte bei den Massensprints und weniger bei den Zwischensprints könnte die Lex Anti-Sagan lauten.

Für eine Lex Anti-Sky hingegen fehlen der ASO die Hebel. Der versuchte juristische Ausschluss des Vierfachsiegers Froome führte nur zu einer sehr hastigen und wenig überzeugenden Freisprechung durch den Weltverband UCI und die Welt-Antidoping-Agentur WADA. Über eine Budgetbeschränkung - Sky hat mit etwa 36 Millionen Euro einen doppelt so hohen Etat wie die meisten Konkurrenz-Rennställe - wird zwar immer wieder diskutiert. Auch am Ende dieser Tour war es so. Aber eine Mehrheit dafür ist offenbar schwer zu organisieren.

So bleibt die spannendste Frage wohl nur, wen Team Sky das nächste Mal zum Kapitän bestimmt: den jetzigen Toursieger Thomas oder den alten Champion Froome. Letzterem hält Teamchef David Brailsford demonstrativ die Treue. »Es ist das Merkmal eines großen Champions, dass er, als er merkte, dieses Rennen selbst nicht gewinnen zu können, sich klaglos in den Dienst des anderen stellte«, meinte Brailsford.

Froome muss jetzt die Erkenntnis verdauen, dass seine Bäume nicht ewig in den Himmel wachsen. In den vergangenen Jahren schien er eine Verkörperung des mythischen Königs Midas: Was immer er auch berührte, es wurde zu Gold. Selbst die Antidopingregularien wurden so gedehnt, dass er nach seiner Grenzwertüberschreitung beim Asthmamittel Salbutamol für startberechtigt erklärt werden konnte. Damit allerdings war das Midas-Potenzial wohl auch ausgereizt. Bei der Tour war Edelhelfer Thomas der Stärkere. Er war frischer, angriffslustiger, leistete sich auch weniger Fehler.

Nach Auffassung seines wichtigsten Rivalen Tom Dumoulin hätte Thomas paradoxerweise wohl noch deutlicher gewonnen, wenn er zwischenzeitlich stärker in Bedrängnis gekommen wäre. Der Niederländer ärgerte sich zwar über den Rückstand von einer Minute und dreizehn Sekunden, den er sich auf der 6. Etappe wegen einer gebrochenen Speiche eingehandelt hatte. Denn ansonsten verlor er nur 53 Sekunden auf der Strecke. Hinzu kamen noch 20 Sekunden Zeitstrafe wegen Windschattenfahrens. Dumoulin gestand aber auch ein: »Wäre ich näher an Thomas dran gewesen, hätte er nicht so sehr auf Sicherheit fahren können. Er hätte mich attackiert und wahrscheinlich noch mehr Zeit herausgefahren. Er war einfach der Stärkste.«

Die Leistung des Walisers Thomas ragte wahrlich heraus. Ohne die Unterstützung seiner Teamkollegen hätte es vielleicht dennoch nicht zum Toursieg gereicht. Ins Wanken gerieten Sky und Thomas nur am letzten Bergtag in den Pyrenäen. Ex-Skispringer Primoz Roglic krönte mit einer tollen Abfahrt zum Etappensieg eine starke Mannschaftsleistung. Zuvor hatte Teamkollege Robert Gesink mit einer Tempoverschärfung am vorletzten Berg auch den Sky-Helfern den Saft aus den Beinen gezogen. »Unsere Feuerkraft reichte leider nur für diesen einen Tag aus. Aber wir werden zulegen«, versprach Gesink.

Skys sportlicher Leiter Nicolas Portal hat diese Gefahr schon lange im Blick. »Andere Teams könnten unseren Bergzug als Startrampe für eigene Beschleunigungen nutzen«, meinte er zu »nd«. Lotto-Jumbo, mit gleich vier Kletterern angetreten und zwei davon (Roglic und der Niederländer Steven Kruijswijk) in den Top 10 platziert, zeigte, wie es gehen könnte. Das ist die einzige Hoffnung für eine spannende Tour 2019.

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