• Berlin
  • Begriff "sozial schwach"

Armut ist keine Schwäche

LINKE will den Begriff «sozial schwach» aus Bezirksämtern verbannen

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 2 Min.

«Anlass für die Aufnahme des Gebietes in die Förderung ist ein deutlicher Zuzug von überwiegend sozial schwachen Familien», heißt es in einem aktuellen Bebauungsplan des Bezirksamts Spandau. Mittlerweile ist die Bezeichnung von Menschen mit geringem Einkommen als «sozial Schwache» ist in den Medien, der Politik und der Behördensprache etabliert. Dabei hat die Nationale Armutskonferenz schon 2013 erklärt: «Wer kein oder wenig Geld hat, ist ökonomisch schwach, aber nicht sozial schwach.»

Arme Menschen verfügten über die gleichen sozialen Kompetenzen wie alle anderen. Die Konferenz befand den Begriff sogar als soziales Unwort. Neben der Stigmatisierung einkommensschwacher Menschen verschleiere die Formulierung die wahre Problemlage, nämlich «die Armut und Armutsgefährdung großer Teile der Bevölkerung».

Um den Begriff zumindest aus den Dokumenten und Publikationen der Bezirksämter zu streichen, hat die LINKE Neukölln einen entsprechenden Antrag bei der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gestellt. «Einkommensarmut impliziert keinesfalls eine »soziale Schwäche«, heißt es in dem Antrag. »Häufig sind gerade diese einkommensschwachen Menschen sozial besonders engagiert.« Die Antragstellerin ist die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Doris Hammer. Schon seit Jahren störe sie sich an dem Begriff, sagt sie gegenüber »nd«. »Es kann nicht sein, dass wir Menschen nur auf ihr einkommen reduzieren«, so Hammer. Der Antrag müsse im nächsten Sozialausschuss am 28. August diskutiert werden. Hammer geht jedoch von einem positiven Ergebnis aus. »Bisher hat noch niemand dagegen gehalten.«

Die Neuköllner LINKE hatte den Antrag aus Spandau übernommen, wo sich der Fraktionsvorsitzende Lars Leschewitz im März dieses Jahres als erster gegen das »soziale Unwort« einsetzte - mit Erfolg.

»Uns war es wichtig, auf die Problematik des Wortes aufmerksam zu machen und das Bezirksamt zu sensibilisieren«, sagt Leschewitz. »Das haben wir sicher erreicht.« CDU und AfD hatten zunächst Widerstand geleistet. Laut Leschewitz war die CDU im Gegensatz zur AfD kompromissbereit. Die Rechtspopulisten hätten »Zensur« vorgeworfen - unter anderem »mit der blödsinnigen Argumentation, wir wollten eine eindeutige und seit Jahrzehnten genutzte Bezeichnung streichen lassen«, so Leschewitz. Dabei sei »sozial schwach« die eigentliche Neuerfindung, um Armut zu verschleiern. Der Antrag wurde in Spandau letztendlich gegen den Willen der AfD angenommen, da diese bei der Abstimmung vergessen habe, sich zu melden.

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