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Linke Buchhandlung im Karl-Liebknecht-Haus wird geschlossen

Unter anderem dem Konkurrenzdruck durch den Online-Handel hat der Kleine Buchladen nicht standhalten können

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Göran Schöfer 2023 im Kleinen Buchladen
Göran Schöfer 2023 im Kleinen Buchladen

Links vom Eingang liegen die linken Tageszeitungen »nd« und »Junge Welt«, rechts geht die Tür zum weniger als 50 Quadratmeter großen Buchladen ab, der nicht umsonst der Kleine Buchladen heißt – mit vollem Namen und voller Absicht der Kleine Buchladen im Karl-Liebknecht-Haus. Gerade sieht alles noch so aus wie immer, aber ab Juni wird nichts mehr so sein, wie es war. Am 31. Mai schließt der linke Buchladen an der Weydinger Straße 14–16. Er war 35 Jahre lang in der Parteizentrale der Linken zu finden und muss nun aufgeben.

Damit verlieren die Kunden eine wichtige Anlaufstelle. Eine Institution schließt beinahe sang- und klanglos. Völlig überraschend kommt es nicht. In seiner Geschichte war diese Buchhandlung immer wieder gefährdet und sollte bereits 2011 geschlossen werden. Doch damals gab es eine Unterschriftensammlung. Genossen und Stammkunden wie der im Februar 2023 verstorbene Linke-Ehrenvorsitzende und ehemalige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow trugen sich in Listen ein, um den Kleinen Buchladen zu retten. Die Aktion war von Erfolg gekrönt. 2012 übernahm Göran Schöfer den Laden, für den die Miete abgesenkt worden war. Große Gewinne waren zwar nie zu machen. Eine ganze Weile lief es jedoch durchaus zufriedenstellend. Doch während der Corona-Pandemie brachen die Umsätze wieder ein und davon hat sich der Laden nicht mehr richtig erholt.

Dazu kommen der Druck, den das Bestellen von Büchern im Internet und der Direktvertrieb der Verlage auf den traditionellen Buchhandel ausüben, außerdem die Krise der Linken, von der noch niemand sicher zu sagen weiß, ob sie mit den 8,8 Prozent bei der Bundestagswahl im Februar überwunden ist. Die Masseneintritte in die Partei, deren Mitgliederzahl innerhalb von Monaten von 60 000 auf über 110 000 hochschoss, haben linken Medien und Verlagen bisher nicht den erträumten Aufschwung gebracht. Länger durchhalten konnte der Kleine Buchladen nun nicht mehr.

Wanja Nitzsche, Inhaber seit 2023, suchte sich mittlerweile eine Festanstellung bei einem anderen Buchladen. Ihm bleibt jetzt nur noch, den Kleinen Buchladen abzuwickeln, in den er und der in Rente gegangene Göran Schöfer mit anderen gemeinsam so viel Herzblut gesteckt haben. Bis zum 31. Mai läuft der Räumungsverkauf. So lange ist montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr Gelegenheit, die noch vorrätigen Bücher zu kaufen.

Wer noch nie dort gewesen ist, kannte den Laden vielleicht von den Büchertischen bei Parteitagen oder in Berlin bei der Liebeknecht-Luxemburg-Ehrung an der Gedenkstätte der Sozialisten sowie beim Lesen gegen das Vergessen zu den Jahrestagen der Bücherverbrennung von 1933 auf dem Bebelplatz, vielleicht kannte er ihn auch vom Strausberger Friedensfest. Da wird sein Angebot neuer und antiquarischer Literatur nun schmerzlich fehlen.

»Unter Linken hat sich ein durch idealistische Selbstausbeutung verschleierter Neoliberalismus eingeschlichen, dem sich ein unabhängiges Kleinstunternehmen nicht ohne Weiteres anpassen konnte.«

Wanja Nitzsche Buchhändler

»Wenn man möchte, dass Unternehmen, die von Genossen für die Stärkung der Bewegung betrieben werden, ihre Arbeit machen können, muss man sie unterstützen, indem man bei ihnen einkauft, sie weiterempfiehlt und sie wertschätzt«, sagt Buchhändler Nitzsche. Sein Laden hat diese Unterstützung jahrzehntelang erfahren, zuletzt aber nicht mehr in ausreichendem Maße. »Unter Linken hat sich ein durch idealistische Selbstausbeutung verschleierter Neoliberalismus eingeschlichen, dem sich ein unabhängiges Kleinstunternehmen nicht ohne Weiteres anpassen konnte«, beklagt Nitzsche. Jetzt anderswo zum Mindestlohn beschäftigt, ist seine finanzielle Lage auch nicht rosig, aber besser als vorher.

»Ich bedauere die Schließung des Kleinen Buchladens sehr«, erklärt Linke-Bundesgeschäftsführer Janis Ehling. »Gleichzeitig bedanke ich mich auch im Namen der Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner recht herzlich bei Wanja Nitzsche und seinen Mitarbeitenden für die engagierte Arbeit in den letzten Jahren.« Ehling schließt da die früheren Inhaber Göran Schöfer sowie Werner und Birgit Hoffmann mit ein.

Der Kleine Buchladen hatte auch Impulse für Kulturveranstaltungen im Liebknecht-Haus gegeben, so im November 2023, als die damaligen Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan zum 175. Jahrestag des Kommunistischen Manifests aus diesem Standardwerk von Karl Marx und Friedrich Engels vortrugen und Wanja Nitzsche moderierte.

»Wir prüfen derzeit intensiv, wie und ob sich ein Teil der Arbeit fortführen lässt«, sagt Bundesgeschäftsführer Ehling.

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