Keine Wahlwerbung für die FDP

Netzwoche: Warum ein beitrag des ZDF-»heute journals« über Alleinerziehende missglückte

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

In Deutschland gibt es laut Familienministerium mehr als 2,2 Millionen alleinerziehende Mütter. Selbst unter der Annahme, dass nicht alle dazu bereit wären, von ihren alltäglichen Problemen vor der Kamera zu berichten, dürfte die Auswahl groß genug sein, dass das ZDF »heute journal« nicht darauf angewiesen ist, ausgerechnet eine Protagonistin zu begleiten, die mit dem Thema gerade mitten im bayerischen Landtagswahlkampf steckt.

Als das ZDF den Beitrag vergangene Woche ausstrahlte, wären die Zuschauer nicht auf die Idee gekommen, dass Anke Pöhlmann gerade nicht nur mit ihrem elf Monate alten Wunschkind Anton alle Hände voll zu tun hat, sondern ebenso eifrig an ihrer politischen Karriere arbeitet. Die 29-jährige Personalberaterin kandidiert für die Liberalen im Wahlkreis München-Mitte.

Das weiß aber leider nur, wer sich entweder mit der bayerischen FDP auskennt oder in besagtem hippen Münchner Szenebezirk wohnt. Dort lächelt die junge Mutter auf Wahlplakaten und wirbt mit der Forderung: »Familienzeit statt Wartenummer! Leben mit Kindern einfacher machen.« Thematisiert wird dies alles in dem Beitrag nicht: Wie Pöhlmann auf ihrer Facebookseite schreibt, habe sie »dieser Reportage zugestimmt mit dem Wissen, dass es keine Wahlwerbung geben und maximal genannt würde, dass ich ›politisch engagiert‹ sei«. Irgendwo im Laufe der Produktion muss diese Abmachung dann aber verloren gegangen sein. Das politische Engagement bleibt unerwähnt.

Gegenüber faz.net räumt Wulf Schmiese, Leiter der Redaktion des »heute journals« den Fehler ein, betont aber, es sei keine Absicht gewesen. Auch Pöhlmann nimmt den Sender gegen Kritik in Schutz: »Die Entscheidung des ZDF das Thema ›Alleinerziehende‹ in den Fokus zu rücken und nicht durch meine Kandidatur zu überlagern, war richtig.«

In der Tat weist nichts darauf hin, dass die ZDF-Redaktion absichtlich die Kandidatur verschwiegen hat. Auch im Beitrag fallen keine Äußerungen, die als versteckte Wahlwerbung für die FDP zu deuten wären. Für das »heute journal« hat die unglückliche Auswahl ihrer Protagonistin nebst intransparentem Umgang mit ihrer Kandidatur dennoch ein Nachspiel. Journalistische Medien stehen in Zeiten, in denen das Wort »Fake News« inflationär gebraucht wird, ohnehin unter verschärfter Beobachtung. Besonders Gegner der Öffentlich-Rechtlichen nutzen solch eine »heikle Panne beim ZDF«, wie der Rechtswissenschaftler Hans Helmut Horn den Fall via Twitter kommentiert, zur Beweisführung für ihre Behauptung, in den führenden Medien würde die Bevölkerung ständig belogen. Genau diese These verbreitet sich seit Bekanntwerden des Fehlers in den sozialen Netzwerken: Da ist vom »StasiGEZSteuer-gepimpten Staatsfernsehen« die Rede und vom »Verdrehen der Tatsachen bis zur Unkenntlichkeit«. Peinlich: Selbst die Geschichte der Alleinerziehenden erzählt das ZDF falsch. Im Beitrag heißt es, sie habe in der Schwangerschaft ihren Job verloren. Tatsächlich ging Pöhlmann aber in Elternzeit.

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